... aber immerhin ein Tatsachenbericht.
Heute habe ich mein Bett frisch bezogen. Ich musste! Irgendwie hatte mein Betthupferl (Eine große Tafel Nougatschokolade) letzte Nacht den Weg vom Nachtschränkchen bis unter die Decke gefunden und als ich heute Morgen aufwachte, sah mein Lager aus wie ein monatelang ungeputztes Klo bei einem Diarrhökranken. Es roch zwar viel besser, aber eine weitere Nacht in braunen Fladen wollte ich mir nun doch nicht mehr zumuten. Noch vor dem ersten Kaffee! duschte ich und bezog mein Lager neu. Leises Fluchen inklusive. Besonders über alte Männer, die noch nicht einmal mehr im Traum wissen, wie man die Dinge im Griff behält. Benimmt sich ein Meister der perfekten Handlung etwa so dämlich ungeschickt?
Aber ich war ja vorbereitet. Meine Schwägerin hatte vor einigen Tagen ein Carepaket an das schwarze Schaf der Sippe verschickt. Eingangs erwähnte Schokolade, Obst, Hemden und Pullover, die ihre Söhne und mein Bruder nicht mehr tragen, drei Garnituren Bezüge und einen Geldschein auf dem eine zweistellige Zahl vermerkt war.
Meine Schwägerin gehört zu denen, die diese Welt trotz der Männer zusammen halten. Ich schätze sie enorm. Sie ist vernünftig und hat ein großes Herz. Ein Muttchen. Kaum ein literarisches Dokument hat die ‚Muttchen’ zum Thema. Sie haben für ihre Sünden bezahlt und schmieren nun die Brote. Sie sind unwichtig – so uninteressant wie Opas, die von ihren Kriegen erzählen. (Alle gewonnen!) Und wahre, mitteilungswerte Erotik sieht auch anders aus.
Bis hierhin gibt der Tag also nichts her, das eine literarische Exkursion rechtfertigen könnte. Das wird auch nicht mehr besser.
Bettwäsche und Muttchen! Gottchen aber auch.
Ich erzähle dennoch, welche Gefühle mich heimsuchten, als ich ein Laken aus der Papierktüte zog: Weiß, wie von Tante Ariel persönlich gewaschen und aus Leinen, herrlich kühl, glatt, frisch, gebügelt und gestärkt. Ich hätte mich damit rasieren können. Mit eingewebten, dezenten Blumenmustern (auch in Weiß) und leichtem Geruch nach Mottenpulver. Mindestens so alt wie ich, beschloss ich und seinerzeit vermutlich ein Luxusartikel.
Diese Überlegung erschien mindestens nicht pauschal ungerechtfertigt, als ich nun auch den Überzug zur Anwendung brachte: Mit weißen, stoffüberzogenen Knöpfen! Seit wann gibt es eigentlich Klett- und Endlosreißverschlüsse? Wer benutzt denn heutzutage bei Bettwäsche noch Knöpfe? Während ich diese mit viel Fummelarbeit durch die viel zu engen Löcher drückte, beschlich mich ein Déjà-vu. Nein, es schlug hinterhältig zu und ich setzte mich verblüfft auf das ungemachte Lager. Die 1950’er Jahre – wie doof ich es damals doch fand. Diese komplizierte Handlungslogistik des Beziehens, (ausbreiten, richtig rum drehen, noch mal wenden, reinkrabbeln, sich beklemmt fühlen, möglichst in den falschen Ecken oder völlig verdreht das zu beziehende Teil ablegen (was zusätzlich deswegen sehr schwierig ist, weil man natürlich darauf kniet), auf einen Stuhl klettern um die Angelegenheit durch Schütteln einzupassen), das Fummeln an den Verschlüssen. So war das. So fühltest du damals. Erinnerst du dich an den Geruch? Ja! Der Mottenkugelgeruch hilft. Ich erinnere mich.
Erinnerst du dich auch an die damalige, aus Gründen der nicht Vergleichsmöglichkeit weit unterschätzten Gewissheit, in völliger Sicherheit zu leben, umgeben nur von Menschen, die dein Wohl im Auge hatten (Als Teenager ging dir das allerdings gefährlich auf den Keks) an den selbstverständlichen Frieden, damals, vor der Spaltung, die eine Voraussetzung des Erwachsen-Werdens zu sein scheint? Weißt du nun, warum das Schlagwort ‚Unschuld der Jugend’ treffend ist? Oder weißt du nur, dass alte Männer so etwas ständig behaupten, ungeachtet aller Tatsachen?
Erinnerst du dich an die 8 Jahre in Istanbul? Damals musstest du dein Bett auch selber beziehen. Im Internat später auch. Immer mit Knöpfen. Immer war dieser Bettenbezieher ein früheres Ich von dir. So hast du damals wahrgenommen. So ungeduldig warst du. Solche Gedanken, solche Gefühle waren dein. So war diese direkte, durch Lebenserfahrung (Stumpfheit) ungefilterte Wahrnehmung von ‚Im Jetzt leben’.
Für einige Minuten forschte ich dieser Anwandlung hinterher. Jedoch verlor sie sich wie eine Fata Morgana, je bemühter ich mich ihr zu nähern versuchte. Sie löste sich in der Gegenwart auf, verschwand grußlos und hinterließ nur ein Gefühl von Verlust. 'Komm zurück' dachte ich, doch sie dachte nicht daran und ließ mich mit einer Erinnerung an die Erinnerung im Stich.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Nein, Dein Beitrag ist keinesfalls überflüssig. Bin ich doch Verfechter knopfbezogener Leinenwäsche.
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Ich bin auch beknopft, weil Reißverschlüsse immer so sensibel zu händeln sind.
Wieder sehr unterhaltsam, klsa!
Sirius
Reset the World!
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Unglaublich, wie inspirierend es sein kann, das Bett frisch zu beziehen. Absolut nicht überflüssig, weil sehr unterhaltsam, klsa!
Lottegrüße
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Super geschrieben, so möchte ich auch mal schreiben können.
Lieben Gruß
Letreo
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Lese ich gerne Letreo, nur würde ein Meister des perfekten Wortes Wortwiederholungen vermeiden: 'Mindestens so alt wie ich, beschloss ich und seinerzeit vermutlich ein Luxusartikel. Diese Überlegung erschien mindestens nicht pauschal ungerechtfertigt.'
Du solltest mal Terry Pratchett lesen. Der konnte nämlich das, was ich nur ansatzweise hinbekomme und ohne Rechtschreibprüfung, Synonymesuchfunktion oder Wiki wäre ich aufgeschmissen. Manchmal nutze ich sogar eine Reimesuchmaschine.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Ich hätte schwören können, da stand gestern noch:"Lese ich gerne Sirius..."
Wie auch immer, klsa, jetzt stell dein Licht mal nicht so unter den Scheffel.
Vielen hier, gefällt dein Schreibstil. Naja, so viele sind wir nicht, aber ich bin mir sicher,
wenn hier noch mehr wären, dann hättest du sicher noch mehr positives Feedback!
In diesem Sinne
freundliche Grüße
Letreo
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