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RE: Mein großes Vorbild

#1 von Karl Ludwig , 23.02.2016 09:48

Inzwischen ist er ja tot und seine letzten Bücher waren auch nicht mehr wirklich überzeugend wg. AllesImEimer. Ich tippe mal eine seiner stärksten Stellen direkt aus einem früheren Buch ab.

Vorgeschichte: Hauptmann Mumm von der Stadtwache hatte dem Patrizier Lord Vetinari das Leben gerettet in einer Angelegenheit, bei welcher Drachen, verräterische Sekretäre und Geheimgesellschaften nicht unerhebliche Rollen spielten. Der Patrizier ist ein demokratischer Diktator, in dem Sinne von: „Ein Volk, eine Stimme!“, und zwar seine. Nach der ganzen Aufregung ziehen sich die zwei in das halbzerstörte Büro zur Abschlussbesprechung zurück.

Der Patrizier setzte sich, und plötzlich sah es aus, als hätte er diesen Raum nie verlassen. Lord Vetinari strich einige kleine Mörtelbrocken beiseite und griff nach einem Bündel Papiere.

„Schade“, sagte er. „Lupin war ein sehr ordentlicher Mann.“

„Ja, Herr.“

Der Patrizier presste die Fingerspitzen aneinander und musterte Mumm.

„Ich möchte Dir einen guten Rat geben, Hauptmann.“

„Ja, Herr?“

„Vielleicht hilft er dir dabei, die Welt besser zu verstehen.“

„Herr.“

„Vermutlich hältst du das Leben deshalb für so problematisch, weil du glaubst, dass die guten Menschen auf der einen Seite stehen und die schlechten auf der anderen“, sagte Lord Vetinari. „Solche Vorstellungen sind natürlich völlig verkehrt. Es gab und gibt immer noch die Bösen, aber einige von ihnen gehören zu unterschiedlichen Lagern.“

Er winkte in Richtung Stadt, stand auf und trat zum Fenster.

„Ein großes wogendes Meer des Bösen“ fuhr er fast besitzergreifend fort. „An manchen Stellen seicht, ja, doch an anderen sehr, sehr tief. Nun, Menschen wie du bauen sich kleine Flöße aus Regeln und vielleicht sogar guten Vorsätzen und sagen dann: Dies ist die andere Seite, und letztendlich wird sie triumphieren. Erstaunlich!“

Der Patrizier klopfte Mumm gutmütig auf den Rücken.

„Dort unten“, setzte er seinen Vortrag fort, „gibt es Leute, die jedem Drachen folgen, jeden Gott verehren und jede Gräueltat bejubeln. Und das alles nur aus stumpfsinniger, alltäglicher Verderbtheit. Es handelt sich dabei nicht um die erstklassige und kreative Scheußlichkeit der großen Sünder, eher um eine serienmäßig hergestellte Dunkelheit der Seele. Anders ausgedrückt: Es ist Sünde ohne den eine Spur Originalität. Solche Menschen nehmen das Böse nicht etwa deshalb hin, weil sie ‚ja’ dazu sagen, sondern weil sie auf ein ‚nein’ verzichten.“ Lord Vetenari legte Mumm die Hand auf die Schulter. „Ohne dich beleidigen zu wollen, Menschen wie du brauchen Menschen wie mich.“

„Ja, Herr?“ fragte Mumm zurückhaltend.

„Und ob. Ich weiß, wie man die Dinge zum Funktionieren bringt. Nun, die Guten verstehen sich darauf, die Bösen zu überwältigen und ihnen das Handwerk zu legen. Ja, darin sind die Guten wirklich gut, zugegeben. Das Problem besteht jedoch darin, dass sie keine anderen nennenswerten Fähigkeiten haben. Am einen Tag feiern sie den Sturz des grausamen Tyrannen, und am nächsten sitzen sie herum und beklagen sich, dass seit der Revolution niemand mehr den Müll fortbringt. Der Grund: Die Bösen können planen. Das ist sozusagen eins ihrer Wesensmerkmale. Jeder grausame Tyrann, der etwas auf sich hält, plant die Unterwerfung der ganzen Welt. Wenn es darum geht, in die Zukunft zu blicken, haben die Guten einfach nicht den Dreh raus.“

„Mag sein“, erwiderte Mumm. „Aber beim Rest irrst du dich. Die Leute fürchten sich nur, und allein…“ Er zögerte. Es klang recht hohl, selbst für seine eigenen Ohren.

Er zuckte mit den Achseln. „Es sind Leute“, sagte er. „Und sie verhalten sich wie Leute. Herr.“

„Oh, natürlich, natürlich“, räumte Lord Vetinari ein. „Daran muss man glauben, ich weiß. Sonst schnappt man einfach über. Sonst glaubt man, auf einer hauchdünnen Brücke über den Schwefelgruben der Hölle zu stehen. Sonst wäre das Leben eine unaufhörliche Qual. Sonst bestünde die einzige Hoffnung darin, dass es nach dem Tod keine Wiedergeburt gibt. Ich verstehe, was du meinst.“

(…)

Mumm verharrte in der Tür.

„Glaubst du das alles, Herr?“, fragte er. „Das mit dem ewig Bösen und der völligen Finsternis?“

„Selbstverständlich“, erwiderte Lord Vetinari und nahm ein anderes Dokument in die Hand. „Es ist die einzige logische Schlussfolgerung.“

„Aber du stehst jeden Morgen auf und bleibst nicht einfach im Bett liegen, Herr?“

„Hmm? Ja. Worauf willst du hinaus?“

„Ich möchte nur wissen: Warum, Herr?“

„Oh, bitte sei ein guter Wächter und geh jetzt, Hauptmann.“


Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!

Karl Ludwig  
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