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Marente de Moor: "Phon"

#1 von Sirius , 14.10.2021 16:48

Marente de Moor: "Phon"

Tief sind die russischen Wälder

Marente de Moor erzählt in "Phon" von der tiefen Sehnsucht des Menschen, sich mit einer Natur zur verbinden, die ihn nicht braucht.

Man nannte ihn den "Noah von Westrussland", mittlerweile sieht er eher aus wie ein zerzaustes Mammut. Wenn Nadja, die Erzählerin, ihren Mann in den Blick nimmt, zerfällt er zu Staub. Die ganze frühere Pracht ist dahin, sein Selbstbewusstsein, seine Stärke, sein Geist, alles verschwunden. Manchmal bekommt er eine Erektion, wenn sie ihm beim Aufstehen hilft. Das findet sie unangemessen, lächerlich. "Wir schauen auf den sinnlosen Haufen Männlichkeit auf dem Bett, da drinnen schnarcht es schon, die Träume taumeln in sein Hirn", heißt es einmal. Was sich anhört wie das Drama eines alternden Ehepaars ist weit mehr. "Phon", der neue Roman der niederländischen Schriftstellerin Marente de Moor, lauscht hinein in die russischen Wälder - und ortet dort die Widersprüche der Gegenwart.

Wie kommt es, dass wir die Natur so mystifizieren, ausgerechnet im Stadium ihrer maximalen Ausbeutung? Woher rührt der Kult um die Wildnis? Wie weit will der Mensch die Natur eigentlich züchten? Immer weiter in die Richtung, in der andere Lebewesen seinen Bedürfnissen immer exakter angepasst werden, mit allen unabsehbaren Folgen, oder zurück, in eine per Molekulargenetik rekonstruierte Vergangenheit, in der das ausgestorbene Mammut tatsächlich durch die von Zivilisationsmüll verseuchten Wälder stapfen würde? Freilich wäre auch das nur ein weiterer Versuch des Menschen, die Natur seinen Bedürfnissen anzupassen.

"Phon" ist keine Dystopie, sondern ein starker Gegenwartsroman. Er bleibt konkret, ist im Jetzt und der jüngeren Zeitgeschichte verankert. Das Auseinanderbrechen der Sowjetunion, die gescheiterten Hoffnungen von Glasnost und Perestroika, die Verarmung der Landbevölkerung, Putins Posen als Bezwinger der Natur und Retter der russischen Vormachtstellung bilden den Nährboden, auf dem er gedeiht. Er erzählt eine Geschichte des Verfalls, in der sich persönliche und menschheitsgeschichtliche Motive überlagern. Und er macht das mit schwindelerregender Düsternis, indem er die Geschichte durch ein weibliches Bewusstsein jagt, das voller Wut und Frustration steckt.

Weiterlesen:

https://www.sueddeutsche.de/kultur/maren...sland-1.5438056


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Sirius
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