Norbert Gstrein „Der zweite Jakob“
Norbert Gstrein und sein unverschämt verschwiegener Roman „Der zweite Jakob“.
Sicher spielen wir alle Rollen, aber der Schauspieler und die Schauspielerin machen kein Hehl daraus, während sie es zugleich – das haben sie gelernt – besonders gut verbergen können. Eine irritierende Situation, die dadurch nicht bequemer wird, dass die schauspielerischen Fähigkeiten des hier zur Rede stehenden Mannes von unklarer Güte sind. Spielt er ausgerechnet die Rolle von Frauenmördern, hierfür wird er besonders häufig gebucht, nun einfach sehr gut, oder wird hier etwas sichtbar, das in ihm steckt?
Wobei diese Vermutung schon zu brüsk und direkt ist. Norbert Gstreins Roman „Der zweite Jakob“ ist ein Buch, in dem sich ein Mann, der sein Handwerk als Schauspieler passabel beherrscht, gut verstecken kann, man wird ihm nicht drauf kommen. Und auf was auch?
Der Vertrauensvorschuss, den eine Erzählerfigur in einem Roman schon durch ihr Amt, ihre Mittlerrolle, ihren Vorsprung im erzählten Kosmos, genießt, wird hier relativ schnell verbraucht. Das hat einen interessanten Grund: Der Mann, der kurz vor seinem 60. Geburtstag steht, hat nun seinerseits einen Biografen zu Gast, der „mein Leben festschreiben“ soll. „Ich hatte immer schon das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimmte, wenn ich für meinen Geburtsort, für mein Alter, für die Schulen, die ich besucht hatte, und Ähnliches einstehen musste, aber war es sonst jeweils nur ein vages Unbehagen gewesen, hätte ich diesem jungen Mann gegenüber das meiste am liebsten sofort wieder zurückgenommen, was ich von mir preisgegeben hatte. Dabei war alles mit der Scham behaftet, tatsächlich der und der gewesen zu sein und nicht ernsthaft genug versucht zu haben, ein anderer oder gar Besserer zu werden und jeder Festgelegtheit zu entkommen.“
Und während der Erzähler also Auskunft gibt, entkommt er jeder Festgelegtheit doch gerade in diesem Moment. Schon keimt im Publikum auf der anderen Seite des Buches Misstrauen. Es sind erst ein paar Seiten vorbei.
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https://www.fr.de/kultur/literatur/norbe...k-91052279.html
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