Im Grenzgebiet der Gewalt
Ein Schauspieler, dessen Paraderolle Frauenmörder sind, muss sich der realen Gewalt in seinem Leben stellen. Bei einem Dreh an der texanischen Grenze spitzen sich die Dinge zu. Norbert Gstrein erzählt in „Der zweite Jakob“ von der Tragödie eines alternden Mannes.
Wenn man schon einige Romane von Norbert Gstrein kennt und dann seinen neuen liest, kommt einem darin vieles bekannt vor. Was wie eine Kritik klingt – so als schreibe Gstrein doch immer wieder das Gleiche, kennste einen, kennste alle – ist aber vielmehr eine besondere Qualität.
Denn die vermeintliche Wiederholung ist eine merkwürdige, fast unheimliche Vertrautheit, die von konkreten Situationen, Orten, Figuren unabhängig ist. So wie in einem Traum die Kollegen aus dem Großraumbüro plötzlich in der Kabine einer Fußballmannschaft sitzen oder als Standesbeamter der längst verstorbene Deutschlehrer auftaucht, der die Handlung eines Romans abfragt, an den man sich nicht mehr erinnern kann.
Liest man dann auf einen unbestimmten Verdacht hin in früheren Romanen nach – der 1961 geborene Gstrein veröffentlicht seit mehr als dreißig Jahren in verlässlichem Takt –, stellt man fest, dass nicht nur seine Geschichten sehr verschieden sind, sondern seine Erzähler. Was sie freilich verbindet, ist ihre notorische Unzuverlässigkeit.
Kaum ein deutschsprachiger Autor hat das literaturtheoretische Konzept des unreliable narrator so perfektioniert und immer wieder originell variiert wie Gstrein (der Ire John Banville hat etwas Vergleichbares gemacht). Dahinter steckt die grundlegende Skepsis gegenüber den Formen, den Genres, den Plots, mit denen wir unser Leben – und das Leben anderer – erzählen.
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