„Erstaunen“ von Richard Powers
Die Atmosphäre ist das Wichtigste überhaupt
Pulitzer-Preis-Träger Richard Powers erzählt in „Erstaunen“ die Geschichte eines ungewöhnlichen Vater-Sohn-Gespanns. Es ist ein kluger und unterhaltsamer Roman geworden.
MEIKE FESSMANN
Man kann es Resonanz nennen oder Feedback, es stimmt auf jeden Fall, worauf Richard Powers seinen neuesten Roman gründet: Kindererziehung hat eine Menge mit Rückkopplung zu tun. Familien, gleich welcher Art, sind grandiose Stimmungs-Modulatoren. Geht es einem oder einer schlecht, wirkt sich das auf alle aus. Dabei können es schon kleine Dinge sein, die den Tag verhunzen: Die Milch ist sauer, das Brot ist aus, die Hausaufgaben wurden vergessen, eine Klausur steht an, von der die Eltern erst am Morgen erfahren. Niemand bleibt, wer sie oder er ist, wenn sie Mutter oder Vater wird. Der amerikanische Erfolgsautor spricht vom „Feedback-Training namens Elternschaft“.
„Erstaunen“ ist trotzdem kein Familienroman im üblichen Sinne. Wer Richard Powers kennt, der weiß, dass der 1957 geborene Schriftsteller, der für seinen letzten Roman, „The Overstory“ („Die Wurzeln des Lebens“) den Pulitzer Preis erhielt, immer aufs große Ganze zielt. Powers hat zunächst Physik studiert und als Programmierer gearbeitet. Das wirkt sich auf die Art aus, wie er seine Plots strickt. Theo Byrne ist Astrobiologe, Mitte vierzig. Er gehört zu einer Forschungsgruppe, die mit einem Hochleistungs-Weltraumteleskop extrasolare Planeten erkundet (das leicht verfremdete, im Oktober 2018 eingestellte Kepler-Projekt der NASA).
Aus den Daten programmiert er Atmosphärentypen, die primitive Formen des Lebens ermöglichen könnten. Seinem hochbegabten Sohn haben die Ärzte Diagnosen von Asperger über Zwangsstörung bis ADHS verpasst. Robin ist von ganz alleine darauf gekommen, dass die Forschungen seines Vaters widersprüchlich sind: „Wenn an so vielen Orten Leben sein könnte, wieso ist dann nirgendwo jemand?“ Powers macht sich ein Vergnügen daraus, seinem kleinen Schlauberger verschiedene mathematische und physikalische Paradoxa – hier das Fermi-Paradoxon - in den Mund zu legen.
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https://www.tagesspiegel.de/kultur/ersta...t/27711784.html
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