Richard Leßmann: Sylter Welle
Würden wir unsere Familienangehörigen auch lieben, wären sie nicht mit uns verwandt? Max Richard Leßmanns Debütroman "Sylter Welle" ist ein unterhaltsames Porträt der westdeutschen Nachkriegsgeneration.
von Katja Eßbach
Familie sucht man sich nicht aus, man hat sie. Und Max Richard Leßmann hat eine, die seine Ex-Freundin mal zu folgender Frage veranlasst hat: "Wen von diesen ganzen Leuten würdest du eigentlich mögen, wenn es nicht deine Familie wäre?" Familie, so Leßmann, ist einfach ein sehr ambivalentes Thema: "Familie ist gleichzeitig ein sehr sicherer Raum und ein Raum für ganz große Unsicherheiten. Und das ist ein Spannungsfeld, das ich immer sehr interessant fand. Ich habe schon immer wahnsinnig gern Bücher über dieses Thema gelesen und freue mich jetzt auch, dass zufällig mein allererster Roman genau dieses Thema behandelt. So zufällig wahrscheinlich dann doch gar nicht."
Max Richard Leßmann ist ein Poet. Im vergangenen Jahr erschien sein Lyrikband "Liebe in Zeiten der Follower", fast täglich postet er ein Gedicht auf Instagram. Seine Sprache ist warm und zugewandt. Kein überflüssiges Wort, ein Schuss Melancholie, gebrochen von Witz. In seinem autofiktionalen Debütroman "Sylter Welle" beweist Leßmann, dass er auch Prosa kann. Er beobachtet genau und beschreibt, was wir anderen auch sehen - nur sieht er es ein bisschen besser:
Der Bahnsteig ist so überfüllt mit Rentnern und Rentnerinnen in bunter Outdoorausrüstung, dass ich meine Großmutter nicht gleich unter ihnen ausfindig machen kann. Ich frage mich ernsthaft, wofür man in Westerland Bergschuhe braucht, als mir ein verträumter Expeditionsteilnehmer fast auf die Füße tritt. Auf Dünen steht kein Gipfelkreuz.
Auf dem Bahnhof in Westerland wird der Autor von seiner Großmutter Lore abgeholt. Seit seiner Kindheit verbringt er mit ihr und dem Großvater Ludwig Ferienzeit auf Sylt. Mittlerweile sind Lore und Ludwig alt geworden, der diesjährige Urlaub wird wahrscheinlich der letzte gemeinsame sein. Die beiden sind 60 Jahre miteinander verheiratet und fast schon symbiotisch, sagt Max Richard Leßmann: "Man kann nicht mehr so richtig sagen, wo der Eine anfängt, und der Andere aufhört - sie ergänzen sich sehr stark. Lore ist sehr pragmatisch, sehr hart, sehr kühl, sehr streng. Ludwig ist sehr spielerisch, tänzelnd, aber auch ganz schön neben der Spur und wird von Lores Strenge immer wieder eingefangen. Wie man sich da so als Enkel fühlt, zwischen diesen beiden sehr starken, eigenwilligen Charakteren, das habe ich in meinem Buch versucht einzufangen."
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