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„ERSTAUNEN“ VON RICHARD POWERS

#1 von Sirius , 14.02.2022 17:14

„ERSTAUNEN“ VON RICHARD POWERS
Optimierte Emotionen

Allzu sehr auf Effekt geschrieben: Richard Powers macht in seinem für den Booker Prize nominierten Roman „Erstaunen“ einen Neunjährigen mit neurologischer Unterstützung für ein paar Wochen zum Weltretter.

Zweimal Asperger, einmal vermutete Zwangsstörung, einmal vielleicht ADHS“: Als ein Neurowissenschaftler ihn nach der medizinischen Diagnose für Robin fragt, antwortet dessen Vater Theo in „Erstaunen“, dem neuen Roman des amerikanischen Schriftstellers Richard Powers, lakonisch mit dem, was er ein „Abstimmungsergebnis“ der Ärzte nennt. Fest steht: Der neunjährige Robin hat zu kämpfen. Mit seinen Gefühlen, mit Sinneseindrücken, mit Menschen um ihn herum. Doch das ist noch nicht alles: Vor nicht einmal zwei Jahren ist seine Mutter Aly bei einem Autounfall ums Leben gekommen, der geliebte Hund ist wenig später gestorben. Der Vater, als Astrobiologe mit der Modellierung extraterrestrischen Le­bens befasst, tut alles, um ihm Halt zu geben und um Robin vor der Medikamentierung mit Psychopharmaka zu bewahren, auf die die Schuldirektorin drängt, wann immer der Junge wieder einmal auffällig geworden ist und von der Schule abgeholt werden muss.

Seit vielen Jahren beschäftigt sich Richard Powers in seinen Romanen mit Verhaltensauffälligkeiten. In „Das Echo der Erinnerung“, 2006 in deutscher Übersetzung erschienen, war es das Capgras-Syndrom, bei dem die vertrautesten geliebten Menschen nicht mehr erkannt werden können, in „Das größere Glück“ drei Jahre später Hyperthymie, genetisch bedingte Lebenslust. Diesmal dient ihm eine diffuse Diagnose dazu, ein neuro­lo­gisches Trainingsverfahren vorzustellen, das, so beschreibt es Powers, in der Schmerztherapie und der Behandlung von Zwangsneurosen eingesetzt werden kann und auch im Umgang mit Depression, Schizo­phrenie und Autismus nützlich sein könnte.

In „Erstaunen“ arbeitet Martin Currier, als Neurowissenschaftler Theos Kollege auf dem Campus, an einer solchen Entwicklung: Eine Probandengruppe versetzt er mit Bildern und Musik in bestimmte Gefühlszustände, die von einem Magnetresonanztomographen auf­gezeichnet werden. Einer zweiten Probandengruppe werden mit KI-Unterstützung Klang- und Bild­impulse gegeben, die sie in den Neuronalzustand der Ausgangspersonen versetzen: „Auf diese Weise regelte das Hirn eines Vertreters der zweiten Gruppe sich in einer Art Training weitgehend auf die Erregungsmuster der Ausgangsperson ein, und der Trainierende – das war das Bemerkenswerte daran – gab an, ganz ähnliche Gefühlsregungen zu spüren.“ Theo hatte mit seiner Frau einmal zur ersten Probandengruppe gehört. Jetzt sieht er im Ansatz des Kollegen eine Chance, seinen Sohn zu retten. Currier macht ihm Hoffnung auf Verbesserung nach wenigen Sitzungen und nennt die Risiken gering. Sie lägen noch unter denen beim Besuch einer Schulmensa. Gerade erst hatte Robin nach der Bemerkung eines Klassen­kameraden über seine Mutter ein letztes Mal die Nerven verloren.

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https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/b...s-17737800.html


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Sirius
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