Gerda Blees: Wir sind das Licht
Wenn Fakten und Zweifel sprechen
Der Roman "Wir sind das Licht" der 1985 geborenen niederländischen Schriftstellerin Gerda Blees beginnt mit dem Satz: "Wir sind die Nacht." Das lässt auf eine inhaltliche Polarisierung schließen. Tatsächlich geht es im gelungenen Erstling der jungen Autorin höchst aktuell um die Konfronta-tion unterschiedlicher Lebensformen und Geisteshaltungen.
Eine kleine Wohngemeinschaft namens "Klang und Liebe" hat sich unter Anleitung der manipulativen Wohnungsbesitzerin Melodie in esoterisches Querdenkertum verstiegen und verzichtet zum Zwecke höherer Weihen auf Essen. Die gefährliche Unsinnigkeit dieses Unterfangens könnte die Gruppe daran erkennen, dass eine von ihnen soeben verhungert ist; doch die Gruppenmitglieder glauben weiterhin an Lichtnahrung und sonstigen Humbug und halten am Kampf gegen das "kalte System" fest. Erste tätige Instanz dieses Systems ist der Notarzt, der bei der Verstorbenen keine natürliche Todesursache feststellt, was zur Folge hat, dass die Polizei den Fall untersucht.
Dadurch bringt Blees Krimispannung in ihre Geschichte, ohne einen Krimi zu erzählen. Spannender noch als die Frage, ob die Gruppenmitglieder ihre Mitbewohnerin bewusst verhungern ließen, ist der humorvolle Kunstkniff der Autorin, Menschen, Dingen und Befindlichkeiten eine eigene Stimme zu geben, deren "persönliche" Sichtweisen gut beobachtete, zum Teil höchst philosophische Details zum Verständnis der Geschichte beitragen.
Im Chor der Stimmen treten etwa auf: das Licht, die Nacht, der Zweifel, der tote Körper, der Widerstand, die Fakten, ja sogar die Erzählung selbst, die über die Intention der Autorin und die Vorhersehbarkeit des Ausgangs der Geschichte reflektiert. Aber auch die Nachbarn kommen zu Wort, ebenso die Eltern, zwei Zigaretten, die Demenz, zwei Wollsocken und das Gespann "Klang und Liebe", das ernsthaft versucht, die Polarisierung zu überwinden:
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https://www.wienerzeitung.at/nachrichten...l-sprechen.html
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