Mary Lawson: „Im letzten Licht des Herbstes“
„Im letzten Licht des Herbstes“, ein feinziselierter Roman der Kanadierin Mary Lawson.
Ein Cover, auf dem Bäume in prächtigen Herbstfarben zu sehen sind. Ein Klappentext, der einen „berührenden, hoffnungsvollen Roman“ verspricht. Ein Titel, „Im letzten Licht des Herbstes“, der jedenfalls dem Verdacht, dieses Buch könne einen nicht gerade kleinen Kitsch-Anteil haben, nicht widerspricht (der Originaltitel, „A Town Called Solace“, ist da nicht besser, da „Solace“ im Englischen Trost bedeutet). Wie gut, dass der Roman der Kanadierin Mary Lawson – 1946 in Ontario geboren, seit 1968 mit Familie vorwiegend in England lebend – solche Bedenken zügig zerstreut.
Denn es ist ein Kind, Clara, das zuerst erzählt, das vieles, was es beobachtet, nicht ganz oder falsch versteht. Clara mag naiv sein, wie auch nicht mit sieben Jahren, aber sie ist durchaus resolut, altersgemäß taff, tut, was sie kann. Die Katze der alten, sich im Krankenhaus befindenden Nachbarin Elizabeth füttern, zum Beispiel; zur Not heimlich in der Garage von Claras Eltern, weil im Haus der Nachbarin plötzlich ein unheimlicher Mann auftaucht. Der auch noch klaut: Das Mädchen sieht, wie dieser Mann Sachen der alten Frau in Kisten packt. Aber seltsam, dass die Eltern abwiegeln, als Clara den Dieb melden möchte.
Dabei hat sie noch einen zweiten, noch größeren Kummer: Ihre große Schwester Rose, 16, ist nach einem Streit mit der Mutter einmal mehr abgehauen. Aber anders als sonst kommt und kommt Rose nicht zurück. Mit kindlicher, von Aberglauben genährter Hoffnung wartet Clara auf ihre Rückkehr, besteht darauf, dass die Eltern ihr das Essen aufs Fensterbrett stellen, damit sie essen und Ausschau halten kann. Sie hat noch andere Rituale, wenn sie die nicht einhält, so glaubt sie, wird sie Rose nicht wiedersehen. Die Eltern mögen das Gegenteil versichern, aber zu oft hört Clara ihre Mutter weinen, um ihnen wirklich zu glauben.
Elizabeth versucht, keine Angst zu haben, barmherzig zu sein gegenüber Bettnachbarinnen, auch wenn sie von deren Problemen eigentlich nichts hören will, zum Trost an ihren bereits vor Jahren gestorbenen Mann zu denken. Der ein guter Mann, aber viel unterwegs war, während sie als junge Frau Fehlgeburt um Fehlgeburt hatte.
Es ist die (wie die Kritikerin zugibt: zunächst nicht vermutete) Qualität dieses Romans, dass er an keiner Stelle eine rosa Brille aufzieht. Für keine ihrer Figuren tut Mary Lawson das, nicht für Elizabeth, Liam, Liams Noch-Frau, nicht für Claras Eltern – während sie sie aber auch nicht in ein hartes, scharfes Licht stellt.
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https://www.fr.de/kultur/literatur/mary-...e-91122317.html
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