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Marie Gamillscheg „Aufruhr der Meerestiere“

#1 von Sirius , 14.10.2022 16:08

Marie Gamillscheg „Aufruhr der Meerestiere“

Im Roman „Aufruhr der Meerestiere“ von Marie Gamillscheg wird eine junge Frau vielfach bedrängt.
Sagen Sie nicht, Sie hätten noch nie von der Meerwalnuss gehört. Für Luise gerät sie zum Objekt ihrer besonderen Obsession. Eine invasive Quallenart, die andere Meerestiere verdrängt und das Wasser mit einem schleimigen Schleier bedeckt. Für die junge Meeresbiologin schlicht „das gefährlichste Raubtier der Welt“.

Ja, mnemiopsis leidyi existiert wirklich. Das ist eine der wenigen Gewissheiten in dem Roman „Aufruhr der Meerestiere“ der Österreicherin Marie Gamillscheg. Ansonsten webt die 30-Jährige ein dichtes, poetisch aufgeladenes Sprachgeflecht, in dem man sich leicht verfängt, das oszilliert zwischen Wirklichkeit und Traum, Besessenheit und Analyse. Gut möglich, dass man beim Lesen den Halt verliert.
So wie es auch Luise ergeht, als Wissenschaftlerin erfolgreich an ihrem Universitäts-Institut. Tatsächlich aber hat sie sich „im Sprechen über ihre Arbeit eine gebärmutterartige Höhle eingerichtet“. Vieles bedrängt sie. Da ist ihr Körper, mit dem sie nie in Frieden lebt. Nur „schlankest, in der ausgeschältesten Form“ kann sie ihn akzeptieren. Bekämpft erbittert ihren „viel zu weichen Bauch“, erleidet Fressanfälle und weiß doch: „Im Rausch war sie nichts, im Hunger war sie alles.“ Beobachtet ihren Leib peinlich genau, um ihn zu erziehen, schon früh beißt sie sich in den Unterarm oder sticht sich die Zinken der Gabel in die Hand. Zu Männern, mit denen sie zwar schläft, entsteht keine wirkliche Verbindung, ihre einzige Beziehung, so sagt einer ihrer Freunde, ist die zu den Quallen. Luise, die aus Graz stammt, erhält das Angebot, mit einem traditionsreichen Tierpark in ihrer Heimatstadt zusammenzuarbeiten. Und sie macht sich auf den Weg, taucht wieder ein in die Welt ihrer Kindheit. Doch Graz ist auch die Stadt, in der ihr Vater lebt, und Leo, ihre engste Jugendfreundin.

Auch Gamillscheg kommt aus Graz und entwirft eine böse Skizze des kleinbürgerlichen Österreich, als Luise in ein Straßenfest gerät: „Die braunen Hirschlederhosen, die karierten Hemden, die Hüte mit Gamsbärten, die Hüte ohne Gamsbärte und die Dirndl mit pinken, lilafarbenen, hellgrünen, sattblauen Schürzen, die in der Herbstsonne wie Plastik schimmerten. Sie kamen aus dem Herzen der Stadt, das im Rhythmus der Öffnungszeiten und der eilenden Schritte schlug. Der Himmel saß tief, er machte sich über die Häuserdächer her. Luise hatte noch nie so viele Brüste gesehen. Brüste im Kreis stehend, Brüste, die sich an anderen Brüsten Brust an Brust vorbeidrängten, Brüste, die an Geschäftsauslagen lehnten und sich von einem fremden Zeigefinger die eigenen Konturen nachfahren ließen.“

Marie Gamillscheg: Aufruhr der Meerestiere. Roman. Luchterhand, München 2022. 304 S., 22 Euro.

Weiterlesen:

https://www.fr.de/kultur/literatur/marie...n-91846236.html


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