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Heinz Helle: Wellen

#1 von Sirius , 09.01.2023 16:48

Heinz Helle: Wellen

Heinz Helles Romane verbinden philosophisches Denken mit einem kühl-analytischen Erzählen. Ebenso zärtlich wie hart erzählt er in "Wellen" von der zuweilen unentwirrbaren Komplexität unserer Zeit.

In Virginia Woolfs 1931 erschienenem experimentellen Klassiker "Die Wellen" befragen sechs Figuren im Selbstgespräch die Zeit, in der sie leben. Als siebte Figur dient das Meer, mit seinen Wellen und der Dynamik des Auf- und Absteigens. In Heinz Helles Roman "Wellen" sind viele unterschiedliche Stimmen vereint in einem einzigen Ich. Der Leser wird angeschlossen an den panisch zuckenden Denkapparat eines gewöhnlichen Familienvaters in Zürich, der von den Wellen des Glücks und Unglücks geschüttelt wird. In den Momenten größter innerer Not träumt er von einem Haus in Schweden.
"Und wenn ich mich da so sehe, wie ich mit dem Hund, den B sich wünscht, am Strand in Schweden spazieren gehe, während du Z zum Kindergarten gebracht hast und jetzt zurück bist in unserem Haus mit Blick aufs Meer, fällt mir auf, dass mich mein Traum seltsamerweise sehr an eine Mankell-Verfilmung erinnert, und ich denke, das ist genau der Grund, warum mir dann doch nicht so wohl war bei dem Gedanken, aufzuschreiben, wie ich mir mein Leben wünsche.

Der Mann lebt an der Seite einer beneidenswert toughen Schweizer Autorin, die einfach die Möbel in der Wohnung umstellt, wenn sie merkt, dass ihr grüblerischer Gefährte an den Explosionen in seinem Kopf zu Grunde zu gehen droht. Er schreibt über sein Leben, beobachtet mit höchstem Anspruch an Wahrhaftigkeit nicht nur seine Familie und die von Klimawandel und Covid-19 in die Ecke gedrängte Menschheit. Wie unter einem Mikroskop untersucht er vor allem seine eigenen Reaktionen darauf und versucht, Wahrheiten daraus abzuleiten. Wenn er die kleine Tochter nicht beruhigen kann und Wut in ihm wach wird, befindet er sich schon mittendrin in einem gesellschaftlich-historischen Diskurs über männliche Gewalt.
(...) und ich merke, dass ich mich bei der Frage, wozu ich fähig bin, immer vor allem als Deutschen betrachtet habe und nicht so sehr als Mann.

Während er seinen tagebuchartigen Selbsterkenntnistext verfasst, recherchiert der Erzähler immer wieder zu deutscher Geschichte und männlicher Gewalt. Er versucht feministische Ideen gewissenhaft zu antizipieren. Fasziniert liest er die Texte der queeren Essayistin Maggie Nelson, ertappt sich dann aber dabei, wie er ihr Autorenfoto studiert und vor allem darüber nachdenkt, dass diese Frau also gern Analsex hat. Heinz Helle versucht die vertraute Gegenwart aus dem Blickwinkel größtmöglicher männlicher Schwäche heraus zu erzählen. Ähnlich wie Maggie Nelson interessiert ihn dabei, was philosophische Fragen nach Sinn und Wahrheit zeigen, wenn man sie in Momenten völliger privater Nacktheit ins Auge fasst. Wittgenstein und Hegel liefern zwar auch gute Impulse, die besten Antworten findet er jedoch oft bei seinen Kindern. Einmal geht er mit seiner älteren Tochter B zum Zahnarzt. Aus Angst vor der Untersuchung beginnt sie mit der Zahnärztin ein Gespräch über Elefanten.

Weiterlesen:

https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Hei...e,helle118.html


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Sirius
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