Heinz Strunk: Der gelbe Elefant
Heinz Strunk hat mit "Fleisch ist mein Gemüse" und "Der goldene Handschuh" Bestseller geschrieben. In "Der gelbe Elefant" dreht der in Hamburg lebende Autor die deutsche Mittelmäßigkeit in 30 Geschichten durch den Wolf.
Die Bleibohms stehen vor Werners Haustür. Werner, ein durchtrainierter Rentner, süffisant "Eisengreis" genannt, wollte eigentlich sein Haus an das Ehepaar verkaufen. Aber durch ein Missgeschick hat er sich, schwer verletzt, in seinem Fitnessraum eingesperrt. Werden ihn die Bleibohms retten?
Seine blutleeren Beine sind trockene Planken, die pergamentfarbene Haut ist mit riesigen Flecken übersät. Das versengte Gehirn knackt und ächzt, etwas Taubes, Breiiges schwillt in ihm an, ein Insekt, ertrunken in Bernstein.
Werner stirbt, über Tage, in seiner Hantelkiste eingesperrt: ein schauriges, klaustrophobisches Szenario. Heinz Strunk lässt sich von Edgar Allan Poe inspirieren. Seine Ideen? Kommen ihm spontan: "Das Entscheidende ist Fantasie und Vorstellungsvermögen. Mir fällt ständig was auf, mir kommen auch dauernd Ideen. Man muss es nur möglichst schnell festhalten, damit nichts verloren geht. Ideen sind ja mein Rohstoff, das ist mein Kapital, und ich spüre einfach, wenn eine Idee gut ist."
Gleich in der ersten Geschichte wird man Zeuge einer Kroketten-Fressattacke in der Lübecker "Taverna Bacchus": eine Hölle der Spießigkeit. Oder wie sich ein Motivationstrainer in seinem SUV ins Neandertal bei Düsseldorf wagt - und dort per Zeitschleife auf echte Steinzeitbewohner trifft, mit fatalem Ergebnis.
"Aus kleinen Beobachtungen kann man viel mehr machen", sagt Strunk. "Ich bin von Düsseldorf nach Bochum gefahren, über Landstraße, und dann war da plötzlich ein grünes Schild: 'Neandertal'. Das gab einen leichten Gänsehautmoment, und dann kam mir die Idee: Was wäre, wenn eine winzig kleine Population überlebt hätte?"
Es sind fantastische, bitterböse Geschichten und solche, die einem ans Herz gehen. Wie die vom unglücklichen Flaschensammler, dem ein Fahrradraser die volle Tüte aus der Hand schlägt, oder die vom blassen Sonderling auf einer Party, der sich vom Balkon stürzen will. Eine innere Unruhe herrscht hier. Jederzeit kann alles kippen. Heinz Strunk entwirft mit wenigen Sätzen einsame Figuren, scheiternde, eingesperrt in ihr soziales Milieu. Ein Milieu, dick wie die Mauern der staubgrauen 300-Quadratmeter-Villa bei Braunschweig, in der Herr Wagner seinen 90. Geburtstag feiert. Trostlos wäre noch untertrieben.
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