Heinz Strunk: „Ein Sommer in Niendorf“
„Ein Sommer in Niendorf“. Heinz Strunk setzt die Pflege seiner literarischen Obsession abwechslungsreich fort.
Die Haltung des Erzählers in Heinz Strunks Roman „Ein Sommer in Niendorf“ ist keine mitfühlende, zumindest nicht offenkundig. Da ist der Humor dazwischen, das prägende Element des Blicks. Das Tun der meisten Figuren ist bestimmt von einer Begrenztheit, einem Nicht-über-sich-Hinauskönnen.
Roth, Wirtschaftsanwalt, Anfang 50, hat den Sommer über Urlaub, auf drei Monate, bis zum Antritt einer neuen Stelle. Er hat ein Appartement mit Meerblick in Niendorf gemietet, einem Ortsteil von Timmendorfer Strand. Da ist sie gleich, die Heinz-Strunk-Spezialität, auf der zweiten Seite des Buches: Als Roth das „Büro“ geheißene Kabuff des Verwalters Breda betritt, lässt der hastig irgendetwas in einer Schublade verschwinden. Flachmann, Porno, Falschgeld? Die Luft: ein Gemisch aus „Reval ohne Filter, (…) Essensmief, menschlichen Ausdünstungen und irgendetwas stechend Chemischem“. Raumgreifend Unordnung und Siff. Breda, „langer Lulatsch mit Plautze, strohiges Haar“, hat das Äußere eines Alkoholikers. Es kommt noch erheblich drastischer, aber das sparen wir uns.
Der Ort, ein Touristennest. „Myriaden von Greisenradfahrern“. Die Jugend, da ist Gerechtigkeit gewährleistet, kommt nicht besser davon. Roth, liberal gesinnt, will die Geschichte seiner Familie über drei Generationen hinweg mit einst sagenhaftem unternehmerischem Erfolg und erheblichen Flecken in der Nazizeit zu einem dokumentarischen Roman mit Thrillerspannung machen. Soll ein Sensationserfolg werden. Herausfordernd das Umfeld: 1952 hat die Gruppe 47 in Niendorf getagt; Lübeck, die Stadt Thomas Manns, ist um die Ecke. Es gehört nicht viel dazu, um vorherzusehen, dass die literarische Ambition erbärmlich scheitern wird.
Wer mit der charakteristischen Vortragsweise von Heinz Strunk vertraut ist, der zuerst als Musiker und Komiker mit dem Trio Studio Braun Furore gemacht hat, hört unwillkürlich die Stimme des Autors mit. Selten eine Seite, die einen nicht wenigstens einmal zu einem breiten Grinsen verführt. Die Pointierung indes ist nicht die quicke einer oberflächlichen Satire, sondern eine des präzise studierten Milieus. Knapp und klar die Sprache dieses außerordentlichen Erzählers.
Heinz Strunk: Ein Sommer in Niendorf. Roman. Rowohlt Verlag, Hamburg 2022. 234 Seiten, 22 Euro.
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https://www.fr.de/kultur/literatur/die-g...t-91827048.html
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