Der das Tageslicht scheut
Tom Kummer erzählt von einem Mann, der seine Frau verloren hat. Was ihn hier noch im Leben hält, sind seine Söhne
I am a driver. I go left. I go right. I go straight ahead. That’s it“, sagt Viggo Mortensen in David Cronenbergs Film Eastern Promises von 2007. Mortensen spielt einen Agenten, der in die russische Mafia eingeschleust wird, dort zunächst als Fahrer arbeitet und keine Fragen stellt. Ein wenig ist der Tom Kummer in seinem Roman wie dieser Fahrer.
Ein bisschen ist er auch wie Travis Bickle in Martin Scorseses Taxi Driver (1976): Schlaflos, traumatisiert, tablettenabhängig und ein wenig paranoid fährt er die manchmal zwielichtigen Kunden eines Genfer Limousinenservice durch die Schweiz – ohne Fragen zu stellen.
In Von schlechten Eltern erzählt Tom Kummer die Geschichte von Tom Kummer, der nach dem Tod seiner Frau Nina mit seinem jüngeren Sohn von Los Angeles nach Bern zieht. Ein Mann, der das Tageslicht scheut und der auf seinen Fahrten in den Süden der Schweiz, nach Bellinzona oder Airolo, seine verstorbene Frau halluziniert: „Unsere Trennung ist nur vorübergehend, Baby. Ich werde bald nachsterben.“
Was ihn im Leben hält, sind seine Söhne, Vince, der bei ihm lebt, und Frank, der in L. A. geblieben ist und dort bald in Schwierigkeiten gerät. Das Verhältnis zu Vince ist geprägt durch eine intensive Nähe, die den Leser mitunter unbehaglich stimmen kann: „Wir legen uns ins Bett. Liegen nebeneinander. Vince murmelt etwas, einen Fetzen Traummonolog, er wälzt sich hin und her. Als ich seine Decke anhebe, hüllt uns der warme, vertraute Duft von Nina ein, ihr wunderschöner, nackter, schlummernder Körper. Ich berühre sein Ohr, schiebe meinen Arm unter seinen Körper. Versuche an nichts zu denken. Einfach die Zimmerdecke anstarren und ihren Duft einatmen.“ Gleichzeitig ist es Vince, der oft die Kontrolle übernimmt, den Vater aus der Nacht in den Tag führt, mit ihm Radtouren unternimmt oder Basketball spielt, bis irgendwann Schule und Jugendamt auf den Plan treten.
Im Fond von Kummers Mercedes S-Klasse sitzen etwa ein suizidaler libyscher Oberst, ein ominöser nigerianischer Arzt oder eine US-amerikanische Journalistin, die herausgefunden haben will, dass die anderen Fahrer allesamt traumatisierte Flüchtlinge sind. Jede dieser Figuren hat das Potenzial für einen Roman. Doch die verschiedenen Plotlines werden nicht weiterverfolgt. Kummer, der Autor, lässt Kummer, die Figur, von einem Auftrag zum nächsten fahren. Stillstand bedeutet Nina.
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