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Isabelle Lehn: Frühlingserwachen

#1 von Sirius , 18.02.2022 16:54

Isabelle Lehn: Frühlingserwachen

Nach Knausgård
 Isabelle Lehn schreibt radikal autobiografisch. In „Frühlingserwachen“ ist genug Leid für alle da

Wenn mich einer fragte, welches der schönste Roman des Frühjahrs ist, würde ich antworten: Frühlingserwachen von Isabelle Lehn, und hinzufügen, der schönste Roman ist freilich zugleich der schmerzlich-schönste Roman, denn ohne süßen Schmerz ist die Schönheit nichts. Aber ist es denn überhaupt ein Roman? Eher das bekannte Verwirrspiel mit dem Gattungsbegriff. Gemeinsam mit ihrer Lektorin überlegt die Protagonistin, die denn auch Isabelle Lehn heißt und Schriftstellerin ist, an einer Stelle, welchen Gattungsbegriff das Manuskript bekommen sollte, an dem sie arbeitet. „Roman“ könne die Leser verwirren, meint die Lektorin. Lehn hält dagegen, die Leser müssten schon aushalten, nicht zu wissen, ob die Erzählerin auch „in echt“ depressiv sei. Die Lektorin insistiert: „Sie muss echt depressiv sein!“

Man hat es hier also einmal mehr mit einem radikal autobiografischen Projekt zu tun. Wahrheitsanteil: „Zweiundsechzig Prozent, vielleicht dreiundsechzig Prozent.“ Was aber Isabelle Lehn dem Großmeister Karl Ove Knausgård, der in diesem Roman ein wichtiger Bezugspunkt ist, voraus hat, also dem sehr komplizierten, sehr männlichen Knausgård, ist ein typisch weiblicher Galgenhumor, und das, obwohl oder gerade weil es oft herzlich wenig zu lachen gibt. Lehn stammt aus Bonn, ist das Lakonische vielleicht rheinisch geprägt?

Nehmen wir die tragikomische Anfangsszene mit dem Lama Gonzales, die Lehn als souveräne, leichtfüßige Erzählerin ausweist; rein handwerklich könnte sie vermutlich also einfach einen „richtigen“ Roman schreiben, ja, als promovierte Rhetorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leipziger Literaturinstitut könnte sie das ganz sicher, also zum Beispiel den Erzählstrang weiter ausarbeiten, der davon handelt, dass sie mit ihrem Mann kein Kind bekommen kann; das Leiden an der Reproduktionsmedizin, die sie als Gewalterfahrung erlebt, ist unheimlich gut geschrieben.
Lehn könnte auch erzählen, wie diese Ehe dann in die Brüche geht. Oder ausführen, wie die Liebe später mit ihrem Freund Vadim nicht klappt – und mit einem wie Vadim könnte es doch wirklich klappen? Sie könnte auch die Geschichte ihrer Depression erzählen, und die ihres Therapeuten, der ihr rät, das Leben als eine „essayistische Existenz zu begreifen, wenn ihr die große Erzählung nicht liegt.“ Und Isabelle Lehn wäre so gerne wie Roger Willemsen, „episodisch, facettiert, universalinteressiert“! Es könnte auch eine Geschichte über Frauen und Freundschaften sein, Lehns Freundinnen haben allesamt das Zeug zum Charakter. Aenne will nur unter Bedingungen im Roman vorkommen und wissen, ob dieser den Bechdel-Test bestehen würde. Sollte also besser die Mutter Krebs bekommen statt ihrem Vater? Und keine ist so ungnädig wie Tien, man müsse doch wissen, ob man wirklich Kinder will.

Weiterlesen:

https://www.freitag.de/autoren/katharina.../nach-knausgard


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Sirius
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