Sven Pfizenmaier: Draußen feiern die Leute
Die Welt ist scheiße, wenn du ein Pflanzenmensch bist
Eilmeldung: Es gibt wieder einen coolen, deutschen Dorfroman. Sven Pfizenmaiers Debüt "Draußen feiern die Leute" ist eine Entdeckung des Frühjahrs.
Eulen, da gibt es eigentlich keine Diskussion, sind bereits objektiv gute Vögel. Eulen mit Adiletten nun: im Grunde noch besser. Eulen mit Adiletten und Drogenvorrat: ein bisschen übertrieben vielleicht, doch eigentlich will man sie ja sofort kennenlernen. Und in diesem Roman wohnt glücklicherweise eine, in der kleinen Weite zwischen Hannover, Wolfsburg, Braunschweig und Celle, Doppelgaragenniedersachsen. Vielleicht braucht man in diesem Teil von Deutschland auch einfach mehr Einbildungskraft. Sonst ist dort ja nur der Kreisverkehr, die Volksbank, da drüben blinzeln die Lampen der Windräder in die Finsternis wie die roten Augen von Außerirdischen, die einzige Säuferkneipe hat immerhin bis morgens geöffnet, und die Männer heißen noch Manfred.
Das wäre ungefähr die Ausgangslage dieses Buchs, und es heißt Draußen feiern die Leute. Es ist das Debüt des Autors Sven Pfizenmaier, Jahrgang 1991, ein Roman, wenn man so will, über die deutsche Provinz. Das heißt ja leider nicht immer nur Gutes. In jüngster Vergangenheit war der sogenannte Dorfroman bisweilen zu einem Genre heruntergekommen, das vor allem noch einmal literarisch kolorieren und beglaubigen sollte, was der deutsche Thesenjournalismus schon längst bei jeder Gelegenheit herumtrötet: in Deutschland existiere ein Mentalitätsunterschied zwischen Stadt und Land, beide Orte ja ein Problemfall, die Gesellschaft sei gespalten undsoweiter, und dann kommen stadtflüchtige Werberinnen beim Gänserupfen wieder zu sich und entdecken die Ambivalenz der Welt zwischen Mähdreschern, Dreiseithöfen und Gemeinderatssitzung oder so ähnlich.
Allein deshalb ist erfreulich, dass sich Sven Pfizenmaier mit solcher besorgten Versöhnungsprosa und ihrem dekorativen Realismus nicht aufhält. Stattdessen schreibt er entlang der Grenzen von Coming-of-Age-Literatur, Kriminalroman und hinreißender Psychedelik. Auf den ersten Blick ist es eine simple Geschichte: In einem namenlosen niedersächsischen Dorf verschwinden Jugendliche. Eine von ihnen ist Flora, irgendwann ist sie weg, sie hat bloß ein paar Tagebucheinträge hinterlassen, und ihre Schwester Jenny begibt sich nun auf diese blasse Spur.
Sie ist eine der vier Hauptfiguren des Romans, vier Jugendliche, die man nicht unbedingt Freunde nennen kann, eher eine Zweckgemeinschaft von Außenseitern. Richard, Timo, Valerie heißen die anderen, allesamt Pubertätsmängelwesen, im scheinbar normalen Einerlei, das gleichmütig ertragen wird: Es gibt die Schule, es gibt ein Dorffest, es gibt Sturmfreipartys, es gibt die Parkbänke, Herumlungern, Schulhofkiffen, die Dorfrowdys mit albernen Spitznamen, und am Ende eben der ewige Kreislauf, nachdem der letzte Wodka-Pfirsicheistee getrunken ist: "Jemand übergibt sich. Jemand hält die Haare."
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https://www.zeit.de/kultur/literatur/202...roman-rezension
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