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Julia Schoch: "Das Vorkommnis"

#1 von scrabblix , 04.04.2022 17:23

"Ein Familienroman aus der Hölle, ist das nicht der Normalfall? Julia Schoch aber schlägt mit ihrem Roman über Lügen und verschwiegene Verwandte neue Wege ein....


..."Flesh and Bone" tendiert zum Horrorfilm, "Das Vorkommnis" zunächst zum zeithistorisch eingebetteten Familiendrama, obwohl es sich schleichend zum Familienhorror entwickelt, immer in der Perspektive der Ich-Erzählung einer jungen Mutter, die schließlich mehrfach vom "Haus der Finsternis" spricht. "Wir wissen nicht, was in dem Haus der Finsternis geschieht, solange wir nicht selbst darin wohnen. In den Häusern der Finsternis."

So düster das ist, so vertraut klingt es auch. Ein Familienroman aus der Hölle, das ist, literarisch und psychoanalytisch gesehen, der Normalfall. Was macht Julia Schoch mit ihrem Buch anders, was ist das Besondere an "Das Vorkommnis"? Sie deckt den Kern des Dramas schon in den ersten Sätzen auf, zeigt statt des Fehlens das Überzählige, statt der Lücke das Zuviel, statt der Leiche die wiedergefundene Verwandte, die "wildfremde Frau" genannt. Die Umkehrung des gängigen analytischen Dramas ins synthetische: Der Roman handelt von der unabsehbaren Wirkung dieser fatalen Frau.

Sie taucht nach einer Lesung der dies alles erzählenden Schriftstellerin auf und spricht den endlos nachhallenden Satz: "Wir haben übrigens denselben Vater." Aus diesen fünf Wörtern entwickelt sich der ganze Roman, inhaltlich und in der Erzählstruktur. Schon die folgenden beiden Absätze markieren mit dem jeweiligen Einstieg die folgenreiche Differenz, die den Roman tragen wird: "In meiner Erinnerung bricht mir bei diesem Satz der Füller aus." Hier entgleist die Feder, zieht eine "Linie des Schocks. Als wäre ich bei der Unterschrift von einer Kugel getroffen worden". Und der folgende Absatz beginnt im Gegenzug mit: "In Wirklichkeit...sprang ich sofort auf und fiel der wildfremden Frau um den Hals."..."

https://www.sueddeutsche.de/kultur/roman...nsion-1.5558251


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