Julia Dibbern: Unter Wasser ist es still
In Julia Dibberns liebevoll geschriebenem Roman kehrt die Protagonistin an den Ort ihrer Kindheit zurück und setzt sich dort mit ihrer Vergangenheit auseinander.
von Annemarie Stoltenberg
Die ausgesprochen liebenswürdige Hauptfigur des Romans Maira arbeitet in Frankfurt als Restauratorin in einer Tischlerei. Die Besitzer, ein Ehepaar, möchten alters- und krankheitsbedingt ihren Betrieb in gute Hände abgeben und haben Maira, die für sie wie eine Tochter ist, dafür auserkoren. Um die Übernahmesumme aufbringen zu können, möchte Maira nun ein Haus an der Ostseeküste von Mecklenburg, das sie von ihrer Mutter geerbt hat, verkaufen und kehrt dorthin zurück, um alles zu regeln.
Sie wird bestürmt von Erinnerungen an die Jahre, in denen sie hier als Kind mit ihrer Mutter gelebt hat. Es war eine behütete, schöne Kindheit. Aber ihre Mutter erkrankte erschreckend früh, mit Mitte 30, an Demenz, und als Tochter hat sie damals lange versucht, das auszugleichen und zu kaschieren - bis zu dem Tag, an dem ihre Mutter in diesem Haus auf tragische Weise ums Leben kam.
In späteren Jahren sollte Maira diesen Tag als den in Erinnerung behalten, von dem an sie allein war in der Welt. Dabei hatte er begonnen wie jeder andere: mit dem Wischen des Fußbodens (heute im Flur) und dem vergeblichen Versuch, Mama den nassen Schlafanzug ohne Gegenwehr auszuziehen. Es war Oktober, unter den langen Ärmeln würde niemand die blauen Flecke an Mairas Armen und Schultern sehen. Wie jeden Tag hatte sie die Sicherung für den Herd ausgeschaltet und darauf geachtet, dass alle Türen abgeschlossen waren.
Julia Dibbern erzählt auf mehreren Ebenen. Geschildert werden abwechselnd der Arbeitsalltag in dem Restaurationsbetrieb und die Rückkehr an die Orte ihrer Kindheit. Kleine Zitate aus Textnachrichten, die sie mit einer Freundin gewechselt hat, sind ebenso eingestreut wie ein Brief, den die Mutter noch an ihre Tochter geschrieben hat, als sie schon wusste, dass sich ihr Kopf grausam vernebeln wird.
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