Jochen Schimmang: „Laborschläfer“
„Manche sammeln Leergut – ich schlafe“
Der Held, na ja, der Erzähler in Jochen Schimmangs Roman „Laborschläfer“ kommt über die Runden – und erweist sich als aufgeweckter Zeitzeuge bundesdeutscher Geschichte
Rainer Roloff ist kein strahlender Held. Weder besiegt er das Böse in einem schier aussichtslosen Kampf noch macht er sonst viel los. Man könnte ihn für einen entfernten Verwandten von Oblomow halten. Aber dafür zieht er zu häufig um. Ja, in eine Hall of Fame wird Rainer Roloff wohl nicht aufgenommen werden. Gleichwohl weckt der selbsternannte Privatgelehrte und bekennende Melancholiker, der die Dinge gerne auf sich zukommen lässt, viel Sympathie.
Davon kann sich überzeugen, wer zu Jochen Schimmangs neuem Roman „Laborschläfer“ greift. Darin erzählt Roloff aus seinem Leben. Das begann – wie auch das seines Autors – im Jahre 1948, also ein Jahr vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Danach ist in Roloffs Vita nichts Spektakuläres mehr passiert. Dennoch ist seine Geschichte bunt und komisch, also lesenswert. Um der Schlafforschung willen reist Roloff regelmäßig aus seiner Heimatstadt Köln in die Landeshauptstadt Düsseldorf. Dort erzählt er dem Somnologen Dr. Meissner von den Assoziationen und Erinnerungen, die ihm jeweils in der Phase zwischen dem Erwachen und dem Wachsein durchs Hirn jagen. Der Forschung geht es bei diesem Projekt darum, dem kollektiven Gedächtnis auf die Spur zu kommen. Für Roloff hingegen ist der Schlafjob eine entspannende Möglichkeit, die karge Rente – bedingt durch eine „gebrochene Erwerbsbiografie“ – ein wenig aufzupäppeln: „Manche sammeln Leergut; ich schlafe.“ Es ist zum Glück ein Langzeitprojekt. Fürwahr ein Traumberuf.
Roloff ist ein Zeitzeuge, wie er im Buche steht. Er weiß Bescheid über mehr als 70 Jahre deutscher Zeitgeschichte, vom Trümmerdeutschland über Barschel-Affäre und Mauerfall bis zur Corona-Pandemie. Aber was lernen wir aus der Geschichte, falls wir etwas lernen? Der Ich-Erzähler, aufgewachsen mit einer ausgeprägten Distanz zum Deutschen (um vom Doitschen ganz zu schweigen), ist da pragmatisch bis lethargisch eingestellt.
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