Unglücklich, sonntags
Was macht Facebook aus uns? Roberto Simanowski liefert ein paar gründliche Antworten
Ein Freund postete neulich eine entzückende Sommergeschichte. Das meiste davon schien wahr, aber offensichtlich hatte er auch geflunkert. T hatte den Nachmittag am Berliner Wannsee verbracht. Die Mobiltelefone waren im Auto geblieben hieß es, es war ein wichtiger Hinweis, dieser Nachmittag war wohl gerade deswegen so zauberhaft gewesen. Tschrieb lustig antiquiert. Er spielte auf Billy Wilders Menschen am Sonntag (1929) an, den Film hatte er just im Kino gesehen.
In der Anekdote steckt viel von dem drin, was unser digitales Leben ausmacht. Wir Facebookmenschen teilen uns immerzu in Bezügen zu etwas andrem mit. Der Philosoph Byung-Chul Han sagt, „das Zeiterleben des modernen Menschen ist eine zerklüftete, diskontinuierte Ereigniszeit (...) Man zappt sich durch Lebensmöglichkeiten“. Mit Facebook verscheuchten wir unseren Horror Vacui, sagt Roberto Simanowski in seinem Essay Facebook-Gesellschaft. Ein Foto, in dem Roland Barthes noch ein Dokument des Todes erkannte, bedeute – übertragen auf Facebook – nichts mehr als einen Augenblick, an den man sich paradox sofort „erinnert“, ohne dass dieser je verdichtet gewesen sei.
Klingt nach Kulturpessimismus. Kennen wir schon, wollen wir nicht. Wollen wir nicht? In einer Reihe von zehn Menschen an einer Bushaltestelle wird man selten einen finden, der nicht auf sein Smartphone starrt. Ein zeitgenössischer (Anti-)Witz ginge wohl so, schreibt Simanowski: Da steht einer und schaut einfach in der Gegend herum.
Ist es nicht müßig (womöglich mit einem Adorno-Paperback in der Tasche), über digitale Zeitverschwendung zu lamentieren? Jedenfalls könne die Kritische Theorie in unserer digitalen Welt schon deshalb nicht funktionieren, argumentiert der Kulturwissenschaftler in seiner Vorbemerkung zu seinem Essay, weil es kein normatives Zeitverwendungskonzept (mehr) gibt. Wer also könnte mit Recht sagen, dass unsere alten Kulturtechniken wirklich besser waren und noch sind als unser digitales Treiben auf Facebook, Instagram, Whatsapp, Twitter? Wer entscheidet, ob Facebook uns der Heidegger’schen Möglichkeit kontemplativen Verweilens beraubt oder einfach das beste Rezept gegen unsere metaphysische Obdachlosigkeit ist, die anders als die Generation X gar nicht erst nach einem Sinn des Lebens sucht? Das ist die Ausgangsfrage.
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