Kim de l’Horizon: Blutbuch
Kim de l’Horizon, nach eigenen Angaben 2666 auf Gethen geboren, hat am Montagabend im Frankfurter Römer den Deutschen Buchpreis gewonnen. Kim de l’Horizon war glücklich, weinte, sagte ein paar Worte auf Schweizerdeutsch in Richtung von Mutter und anderen nahestehenden Personen, sang ziemlich gut und auch ausführlich „Nightcall“ von London Grammar, dankte dem Verlag (Dumont), dankte hilfreichen Menschen, die es für ein Romandebüt gewiss braucht, zog dann einen Rasierer und rasierte sich die Haare ab.
„Blutbuch“ ist ein Einsaug-Buch, was wörtlich zu verstehen ist, indem man es gegen Ende umdrehen und von der anderen Seite weiterlesen sollte. Ohne spiralförmiges Druckbild kann ein Buch einer Spirale kaum näher kommen. Oder einem Wirbel. Die Person, die hier erzählt, heißt ebenfalls Kim. Zunächst ist Kim ein Kind. „Das Kind muss sich bald entscheiden. Die Leute fragen. NA DU. WAS BIST DENN DU? BUB ODER MEITSCHI?“ Bei Kim funktioniert das nicht so wie bei den meisten anderen Kindern, die sich schon entschieden haben. Kim sucht dann einen eigenen Weg, findet ihn auch, bis die Demenzerkrankung der Großmutter – das Wort „Großmeer“ wird jeder Mensch, der das Buch liest, mit hinaus ins Leben nehmen – Kim auf die Vergangenheit stößt.
„Blutbuch“ entzieht sich dabei gängigen Vorstellungen autobiografischen Schreibens, indem die Suche nach Sprache grundlegender als gewohnt ist. Dass Kim sich auf Neuland fühlt, sucht Ausdruck und Ausdrücke. Es gibt aber auch klassische Erzählpassagen, es gibt krasse Sexszenen, das Berner Dialekt (jedenfalls ein Schweizer Dialekt) belebt das Vokabular und die Sprachfantasie von Kim. Auch schreibt Kim der Großmutter seitenweise auf Englisch, was sonst nicht gesagt werden könnte. Es ist letztlich eine Irritation, selbst dafür keine andere Sprache zur Verfügung zu haben als eben diese hier.
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