Chor der verlassenen Dinge
Nelly Sachs
Krug im Schutt
War ich der Krug, daraus der Abend floss wie Wein
Und manchmal ein gefangner Mond zum Rosenstock ?
Die Sterbenacht der Greisin fing ich ein
Als schon ihr Atem keuchte wie die Geiß am Pflock.
O Krüge, Krüge ! in ein Abschiedsmaß gezwängt
Ist was wir halten; rinnende Natur.
Wir sind wie Herzen, draus es weiter drängt
Und stille steht wie Zeit in einer Uhr
Ein halbverbranntes Licht
O Schattenspiegel mein ! Ich sah in dir, ich sah -
Die Hand aus Grabesstaub, die sich an einem Stern verging
Die Zeit in ihrer Sterbewiege schrie - ich sah
Israels Mund in Qual, gebogen wie ein Ring.
Ein Schuh
Verlornes Menschenmaß; ich bin die Einsamkeit
Die ihr Geschwister sucht auf dieser Welt -
O Israel, von deiner Füße Leid
Bin ich ein Echo, das zum Himmel gellt.
Chor
Wir aber sind, seitdem wir Erde waren
Getrieben schon von euch durch soviel Tod -
Bist du ein Band, gepflückt von Totenhaaren
Geh ein zum Wunder, werde Brot.
Hier ist ein Buch, darin die Welten kreisen
Und das Geheimnis flüstert hinter einem Spalt -
Wirf es ins Feuer, Licht wird nicht verwaisen
Und Asche schläft sich neu zur Sterngestalt.
Und tragen wir der Menschenhände Siegel
Und ihre Augen-Blicke eingesenkt wie Raub
So lest uns wie verkehrte Schrift im Spiegel
Erst totes Ding und dann den Menschenstaub
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