IRMELA BRENDER
ABSCHIED
Du hast gesagt, wir müssen Abschied nehmen.
Du bist bald tot, und ich soll mich nicht grämen.
Was heißt, nicht grämen?, hab ich dich gefragt.
Das heißt, nicht traurig sein, hast du gesagt.
In deinem Alter ist man satt vom Leben,
hast du gesagt, mir einen Kuss gegeben
und aufgetragen, in den Park zu gehen,
dort, wo die Buchen um den Weiher stehen.
Dort sind wir in den Ferien oft gewesen.
Du hast mir was erzählt, was vorgelesen,
und manchmal haben wir auch nur geschwiegen
und Vögeln nachgeschaut, wie sie dort fliegen.
Dass flache Steine übers Wasser tanzen,
wenn man sie richtig wirft, und welche Pflanzen
man essen kann, hast du mir beigebracht,
und wie man mit ´nem Grashalm Töne macht.
„Wenn du dich dort an mich erinnerst, wirst du spüren,
ich bin bei dir. Du kannst mich nicht berühren“,
hast du gesagt, „und dennoch bin ich nah.
So lang du an mich denkst, bin ich noch da.“
Jetzt bist du tot, und ich geh zu den Buchen
beim Weiher dort im Park, um dich zu suchen.
Ich denk an dich so fest, wie ich nur kann,
und fange trotzdem gleich zu weinen an.
Du fehlst mir so! Es gibt so viele Sachen,
die ich erzählen will, so viel zum Lachen,
was niemand außer dir so recht versteht –
kannst du dir denken, wie es mir jetzt geht?
Du hast so gut begriffen, was ich meinte.
Du hast mich so getröstet, wenn ich weinte,
und dann hast du gesagt: „Jetzt aber Schluss!
Weil jeder Kummer auch mal enden muss.“
Ja, du hast Recht – jetzt spür ich, dass du nah bist.
Nicht so, wie wenn jemand tatsächlich da ist,
nicht wirklich. Aber trotzdem ist es wahr –
ich denk an dich, und du bist da!
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