Sebastian Haffner: Abschied
Der Journalist und Autor Sebastian Haffner starb 1999. In seinem Nachlass wurde der Roman "Abschied" entdeckt, den er 1932 schrieb und der jetzt - fast 100 Jahre nachdem der Text verfasst wurde - bei Hanser erscheint. "Abschied" beschreibt die melancholische Suche nach Glück und Freiheit im Paris der 1930er-Jahre.
von Alexander Solloch
Die Uhr tickt, sie tickt erbarmungslos, die machtversessene Tyrannin. Ist es nicht aber doch möglich, ihrem Diktat noch letzte Momente des Glücks abzutrotzen?
Februar 1931: Wir sind in Paris, linkes Seine-Ufer, Quartier Latin. Raimund, Mitte 20, Referendar am Amtsgericht Rheinsberg, ist seit zwei Wochen zu Besuch bei seiner Freundin Teddy, die an der Sorbonne studiert und überhaupt keine Anstalten mehr macht, ins muffige Deutschland zurückzukehren. Jetzt rückt die Stunde des Abschieds immer näher, um 22 Uhr fährt an der Gare du Nord Raimunds Nachtzug nach Berlin. Melancholisch blickt Raimund sich in seinem Hotelzimmer um:
Was war in diesen vierzehn Tagen nicht alles Merkwürdiges in diesem kleinen Zimmer geschehen, das ich nun verließ! Na, um das Zimmer war mir nicht bange. Es hatte sicher schon vorher manches Lustige, Traurige und Merkwürdige gesehen und würde es weiter sehen. Mich aber sah es nun nicht mehr. Ich musste fort nach dem kalten Berlin, ich würde Urteile verfassen, Klavier spielen und auf Briefe warten, und hier in meinem Zimmer wohnte ein anderer, füllte die Luft mit Rauch, schlief, ärgerte sich, freute sich und sah aus dem Fenster die Seine und die Brücke und den weiten Platz dahinter und groß und tausendfältig schimmernd bei Tag und bei Nacht Notre-Dame.
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