Der Frieden muss vernichtet werden
Die Reaktionen auf das Friedensmanifest sollten selbst jene beunruhigen, die es nicht teilen. Wer andere abwertet, will Debatte durch Meinungsmacht ersetzen.
Eine Reihe von Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Spektren in Deutschland hat kürzlich ein „Manifest für den Frieden“ veröffentlicht und diplomatische Initiativen für eine Beendigung des Krieges in der Ukraine gefordert. Der Aufruf ist breit angelegt und wurde mittlerweile von über einer halben Million Menschen in Deutschland unterzeichnet. Der Text warnt vor der Rutschbahn in den Welt- und Atomkrieg, er verurteilt das Morden Russlands, bezieht zumindest keine explizite Position zu vergangenen Waffenlieferungen, sondern warnt ähnlich wie der portugiesische UN-Generalsekretär António Guterres vor einer weiteren Eskalation des Konflikts.
Als Kronzeuge für die Notwendigkeit von Verhandlungen wird im Manifest der höchste US-Militär Mark Milley angeführt, der daran erinnerte, dass Kriege durch Verhandlungen enden.
Zu den Erstunterzeichnern und Autoren des Manifests gehören unter anderem die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht, die Publizistin Alice Schwarzer, der ehemalige Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel, Rudolf Dressler, der ehemalige Vizepräsident der EU Kommission Günter Verheugen, der einst für die EU-Osterweiterung zuständig war, die ehemalige Grüne Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Antje Vollmer, der Theologe Eugen Drewermann, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, die Publizistin Daniela Dahn, die Schauspielerin Katharina Thalbach, der Sozialmediziner Gerhard Trabert, der kürzlich die Ukraine bereiste, um medizinische Hilfsgüter zu verteilen, und auch der ehemalige Brigadegeneral und einstige militärpolitische Berater der Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, Erich Vad, sowie der CSU-Politiker Peter Gauweiler. Der Linke-Politiker Gregor Gysi, der in der Vergangenheit scharfe Konflikte mit Sahra Wagenknecht führte, hat seine Unterstützung bekundet.
Die Theologin und ehemalige Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, wird nicht an der Friedensdemonstration am 25. Februar in Berlin teilnehmen. Dies wurde mit der kalkulierten Provokation, der Unterzeichnung der Online-Petition durch einen AfD-Politiker, in Verbindung gebracht, die zu einer Debatte über die Vereinnahmung des Aufrufs und der Kundgebung durch Rechtsextreme führte. Mittlerweile hat Frau Käßmann aber gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) festgestellt, sie habe gar keine Absage an die Kundgebung erteilt. Sie sei bereits bei anderen Kundgebungen verplant gewesen und befürworte die Demonstration weiterhin.
Ähnliche Debatten gab es während der Proteste gegen den Irak-Krieg sowie bei den Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV in Ostdeutschland, die zur Entstehung der Partei Die Linke führte, da Gewerkschaften und linke Persönlichkeiten diesen Kräften nicht das Feld überließen. Sahra Wagenknecht führte dazu aus: „Dass Rechtsextremisten, die in der Tradition eines Regimes stehen, das den schlimmsten Weltkrieg seit Menschheitsgedenken vom Zaun gebrochen hat, auf einer Friedensdemo nichts zu suchen haben, versteht sich von selbst.“
Es dürfe nicht vergessen werden, „dass nicht der Ruf nach Frieden, sondern die Unterstützung von Militarismus und Krieg seit ewigen Zeiten Kennzeichen rechter Politik ist.“ Es ist zu hoffen, dass jene, die eine mangelnde Abgrenzung nach rechts beklagen, nicht durch die Tabuisierung der Initiative selbst das Geschäft der rechten Demagogen besorgen, weil anständige Zeitgenossen sich nicht mehr zur Demonstration trauen.
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