Die zornige Mehrheit
Millionen Franzosen demonstrieren erneut gegen »Rentenreform« – Regierung Macron verbiegt erneut die Verfassung
Bis zu zwei Millionen Menschen haben am Dienstag in mehr als 200 Städten Frankreichs erneut gegen die »Rentenreform« des rechten Präsidenten Emmanuel Macron protestiert. Die Staatsmacht sinnt unterdessen darauf, wie sie das Parlament am Donnerstag zum wiederholten Mal ausschalten und eine von der Opposition beantragte Abstimmung zur »Reform« verhindern kann. Die von bürgerlichen »Dissidenten« getragene Formation LIOT (Libertés, Indépendants, Outre-mer et Territoires) will – das ist der Plan, der von allen Gegnern Macrons in der Nationalversammlung unterstützt wird – die Regierungsfraktion Renaissance zwingen, endlich für oder gegen das Rentendiktat ihres Chefs die Hand zu heben.
Der Präsident und seine Regierungschefin Élisabeth Borne hatten ihren Gesetzentwurf – ohne das Parlament zu beteiligen – bisher ausschließlich mit Hilfe des Verfassungsartikels 49.3 per Dekret durchgesetzt. Mit der ihr zur Verfügung stehenden lediglich relativen Mehrheit würden Macron und Borne bei einem Parlamentsvotum die Tilgung der nach aktuellem Stand der Dinge ab 1. September rechtswirksamen Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre riskieren.
Die französischen Gewerkschaften standen am Dienstag auch nach 14 Großkundgebungen und 77 landesweiten Streiktagen Seite an Seite gegen Macron und seine Hintermänner in den Chefetagen der Konzerne. Die in der »Intersyndicale« vereinten acht großen Organisationen kündigten bereits am Vormittag an, dass sie den Widerstand gegen den »Präsidenten der Ultrareichen« so lange organisieren wollten, bis das Rentendiktat am Widerstand der Bevölkerungsmehrheit »zerschellt«. Die neue Generalsekretärin der linken Gewerkschaft CGT, Sophie Binet, hatte am Sonntag in einer Erklärung noch einmal die wichtigsten kurz- und längerfristigen Ziele des von mehr als 75 Prozent der Franzosen getragenen Protests genannt: Annullierung der »Reform«, Senkung des Renteneintrittsalters von 62 auf 60 Jahre, Erhöhung der Löhne, Renten, Pensionen und der Studienbeihilfen.
Harsche Kritik traf Macron und seine Regierung – »Sargnagel der Demokratie« (Libération) –, als zu Beginn der Woche bekanntwurde, dass Parlamentspräsidentin Yaël Braun-Pivet die von LIOT beantragte Abstimmung über die Erhöhung des Renteneintrittsalters womöglich nicht zulassen wird. Gewerkschaftssprecher gingen davon aus, dass Braun-Pivet dafür den Verfassungsartikel 40 heranziehen will, der »keine Verminderung einer öffentlichen Geldquelle« erlaubt, die nicht »durch andere Einnahmen kompensiert wird«. Da Macron seine »Reform« unüblicherweise und überraschend in den Finanzhaushalt eingebunden hat, kann er sich – die Verfassung sieht dies vor – jederzeit mit Dekreten aus der Affäre ziehen.
Weiterlesen:
https://www.jungewelt.de/artikel/452232....e-mehrheit.html
Reset the World!
Beiträge: | 27.291 |
Registriert am: | 02.11.2015 |
Ein eigenes Forum erstellen |