"Gestapo-Nachfolgeorganisation“
Wie ein Twitter-Shitstorm zur Innenministerin gelangt
Am Umgang mit dem Journalisten Stephan Anpalagan zeigt sich, wie Rechtsaußen-Medien und Multiplikatoren durch verkürzende Empörung die öffentliche Meinung und Politik beeinflussen.
Der Journalist Stephan Anpalagan steht derzeit im Zentrum heftiger Kritik von Medien und Politiker*innen. Der Vorwurf: Er habe die deutsche Polizei mit der Gestapo verglichen und damit zehntausende Beamt*innen beleidigt und diskreditiert. Und tatsächlich schrieb er am 29. Juli auf Twitter von der „Nachfolgeorganisation der Gestapo“, bezogen auf die Polizei. Doch die große Welle der Kritik reitet allein auf Meldungen rechtsalternativer Medien zu Anpalagans Tweet, die nicht den Gesamtkontext zeigen. Vielmehr geben sie durch gezieltes Weglassen und Nichtbeachtung von Inhalt ein verfälschtes Bild wieder, in dem Anpalagan ohne Not und ohne ersichtlichen Grund die Polizei beleidigt. Dass der Journalist auch für den SWR tätig ist, wird dabei dankbar für Angriffe gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgenommen.
Wichtig ist vor allem, worüber niemand zu sprechen scheint: nämlich den Anlass für Anpalagans Social-Media-Post, einen Retweet, der eine Aussage des Polizeigewerkschafters Manuel Ostermann aufgreift. Ostermann hatte sich darüber beschwert, dass er Bodo Ramelow, Ministerpräsident in Thüringen und Mitglied bei Die Linke, auf Twitter geblockt wurde. Ramelow sei „führender Genosse der SED-Nachfolgepartei“, und weiter: „Mit #DieLinke macht man keine gemeinsame Sache, niemals.” Anpalagan retweetet Ostermanns Post mit den Worten: „Vielleicht sollte ein Mitglied der Gestapo-Nachfolgeorganisation kleinere Brötchen backen“, in Anspielung auf Ostermanns Beruf als Polizist.
Da der bereits seit neun Jahren amtierende Ramelow als respektabler Politiker und stabiler Demokrat gilt, wirkt eine vermeintlich historisch-lineare Verbindung der SED zur heutigen Partei Die Linke in Bezug auf Ramelow diskreditierend. In diesem Kontext muss Anpalagans Aussage gelesen werden. Denn er macht die Kontinuitäten zwischen den Polizeien des NS-Staats und jenen der BRD ähnlich überspitzt sichtbar, wie Ostermann sie unterkomplex zwischen der Partei Die Linke und der SED herstellt.
So, wie sich Die Linke von der SED herleitet und sich aus bloßer Mitgliedschaft ein Vorwurf konstruieren lässt, lässt sich das eben auch auf andere Organisationen anwenden – zum Beispiel auf die Polizei.
Klar ist: In beiden Fällen sind Kontinuitäten in unterschiedlicher rechtlicher, kultureller und gesellschaftlicher Ausprägung vorhanden. Die Linke ging aus der WASG und der PDS hervor, die formalrechtliche Nachfolgerin der SED war. Auf der anderen Seite rekrutierte sich zum Beispiel das Führungspersonal des BKA bis in die späten 50er Jahre hinein zu einem großen Teil aus ehemaligen Gestapo- und SS-Funktionären. Noch 1959 hatten zwei Drittel der Leitungsebene eine SS-Vergangenheit. Dabei wurden Organisationsstruktur, Arbeitsweise, ja selbst die Theorie der Verbrechensbekämpfung fast unverändert aus der NS-Zeit übernommen.
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https://www.belltower.news/gestapo-nachf..._eid=7a83bdcc66
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