Bov Bjerg: Der Vorweiner
Im neuen Roman von Bov Bjerg ist Europa zur Festung geworden, geschützt von einer 35 Meter hohen Betonmauer, die gegen Klimawandel hilft und Migration verhindert. Zuwanderer aber brauchen wir noch. Denn eine Sache haben wir outgescourt.
Hamburg untergegangen, Nordpolen und die Niederlande abgesoffen, die Schweiz in Kleinstkantone zerfallen. Doch Resteuropa steht noch. Damit ihm der steigende Meeresspiegel nichts anhaben kann, wurde es in mehreren Etappen mit einer 35 Meter dicken Betonschicht angehoben und totalversiegelt, die neuen Steilküsten und Schnellboote der Grenzpolizei halten die Boat People aus England, Schottland, Dänemark draußen, die sich aufs Trockene retten wollen, auf dem Meeresboden „Ertrunkene, manche scheinen kaum verwest, andere sind nur noch in Konturen zu erahnen.“
Für die Sesshaften drinnen ist die Lage recht komfortabel. Sie können sich in unterirdischen Clubs bei Witzen und Einhornbrause amüsieren. Und falls sie das Geld dafür haben, Vorweiner anstellen, ausländische Fachkräfte, die dereinst bei ihrer Zerstreuungsfeier (es gibt keine Beerdigungen mehr) herzzerreißend trauern. Je enger die Bindung, die sie zu ihnen im Leben herstellen können, desto ansteckender wird das Schluchzen nach ihrem Ableben sein. Den Job müssen Gastarbeiter – am besten, heißt es, seien „Männer, die direkt am Golf von Guinea aufgewachsen waren“ – übernehmen, weil bei den kultivierten Resteuropäern überbordende Emotionsbekundungen verpönt sind.
Nur wer zur Niederschicht gehört, „hat eine bewegliche Oberlippe, kann richtig lachen und lächeln. Bei den normalen Menschen wird die Oberlippe in der Pubertät künstlich versteift. Ein winziger Eingriff, ambulant. Man zieht einfach einen schmalen Streifen Hartplastik durch den Oberlippenbogen, und damit gilt das Kind als erwachsen und kann die Contenance bewahren bis zum Lebensende.“
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