Die deutsche und die globale Malaise – aus der Sicht der Neoklassik
Auf einmal klagen sie alle. Mit enormer Verzögerung haben in Deutschland auch die Berufsoptimisten in den Medien mitbekommen, dass etwas grundsätzlich schiefläuft. Deutschland sei wieder Schlusslicht in Europa, stellt selbst der britische Economist fest und verweist auf den Rückgang des BIP in diesem Jahr. Mich wundert allerdings, dass liberale Ökonomen, die sich selbst als Neoklassiker bezeichnen würden, nicht viel aktiver an der Debatte teilnehmen und wenigstens wichtige Aspekte zu einer Theorie der Krise beisteuern. Aber die neoklassischen Autoren sind immer rasch auf dem Holzweg, weil sie die makroökomischen Implikationen ihrer eigenen Theorie nicht wahrhaben wollen und folglich gebetsmühlenartig die Regierungen für die Malaise verantwortlich machen. Märkte können ja grundsätzlich nicht falsch liegen und führen, wenn man sie nur wirken lässt, immer rasch zum Gleichgewicht.
Im Spiegel haben sich vergangene Woche nicht weniger als elf Autoren in einer Titelgeschichte an einer Diagnose des schwerkranken Patienten Deutschland versucht (hier die Online-Version) und haben ein Sammelsurium von Ursachen und Therapien produziert, das in Sachen intellektueller Verwirrung seinesgleichen sucht. Vom vermeintlichen Fachkräftemangel über die schwache Digitalisierung, den hektischen Klimaschutz bis hin zur übermächtigen deutschen Bürokratie reichen die „Erklärungen“ für eine wirtschaftliche Schwäche, die allerdings, wenn man es nüchtern betrachtet, etwa ein Jahr alt ist.
Hinzu kommt, dass Deutschland in einigen Schätzungen dieses Jahr zwar ganz hinten liegt, es aber keinen Zweifel daran geben kann, dass die konjunkturelle Abschwächung inzwischen ganz Europa erfasst hat. Ja, sie ist sogar ein globales Phänomen. So übermächtig die deutsche Bürokratie auch sein mag, auf die Entwicklung des wichtigsten deutschen Handelspartners China hat sie noch keinen Einfluss.
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