Der wahre Preis des Lidl-Kleids
Ein Lidl-Kleid für 8,99 Euro, angeblich fair und nachhaltig, ausgezeichnet mit dem staatlichen Textilsiegel “Grüner Knopf”. Recherchen von Flip und Panorama enthüllen die Bedingungen, unter denen Lidl in der Militärdiktatur Myanmar produziert.
Die Lidl-Mitarbeiterinnen sind aufgeregt. Wie Models posieren sie in einem Instagram-Spot, strahlen in die Kameras, schütteln Hände. Eine von ihnen erzählt, wie es dazu gekommen ist. Für die neue Lidl-Kollektion habe das Unternehmen Mitarbeiterinnen für die Kampagne gesucht. „Und wir drei“, so erzählt sie es im Spot, „durften dabei sein!“. Dann schwenkt die Kamera hinüber zu einer Stange, an der rote, gelbe und blaue Kleider hängen. „Was wir da tragen?“, fragt das Mitarbeiterinnen-Model und antwortet prompt: „Besonders nachhaltige Kleidung, die sogar vom Grünen Knopf zertifiziert wurde.“ Am Ende des Spots taucht dann auch noch TV-Moderatorin Barbara Schöneberger auf, knipst ein paar Fotos von den Mitarbeiterinnen und ruft: „Ja, zeigt mir was drinsteckt in der Grünen-Knopf-Kollektion. Nachhaltigkeit will ich sehen!“
Ein Kleid aus der Nachhaltigkeits-Kollektion, die im Spot beworben wird, gibt es im Sommer dieses Jahres für 8,99 Euro. Nur ein paar Meter von unserem Flip-Büro in Hamburg ist eine große Lidl-Filiale. Dort sehen wir ein Plakat, das Werbung für das Kleid macht. Darauf steht: „Mehr Nachhaltigkeit. Mehr Sparen. Mehr Lidl.“ Das klingt, als würde das alles zusammenpassen. Als sei nachhaltige Mode keine Frage des Geldes, sondern bei Lidl für jeden erschwinglich.
Auch auf dem Plakat prangt das Logo des “Grünen Knopf”, dem offiziellen Textilsiegel der deutschen Bundesregierung. Ins Leben gerufen hat es der frühere Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), als Antwort auf das bisher größte Unglück in der Geschichte der Textilindustrie. Beim Einsturz der Fabrik Rana Plaza in Bangladesch starben 2013 mehr als 1000 Näher:innen. Die Welt war geschockt, viele Menschen begriffen, wer den wahren Preis für ihre Kleidung zahlt. Die Politik beschloss: Nie wieder Rana Plaza!
Im Jahr nach dem Unglück rief Müller das Bündnis für nachhaltige Textilien ins Leben. Aus ihm ging später der Grüne Knopf hervor. Er soll Kund:innen zeigen, dass die Kleidung nach hohen sozialen und ökologischen Standards hergestellt wurde. Es gehe um “mehr Menschlichkeit” und um “Gerechtigkeit” in den Lieferketten, sagte Müller zur Einführung des Grünen Knopfs 2019. Mittlerweile ist das Vertrauen in das Siegel laut einer Gfk-Umfrage mit 67 Prozent außergewöhnlich hoch. Insgesamt wurden bis Mitte 2022 mehr als 260 Millionen Artikel verkauft, die den Grünen Knopf tragen.
Nicht nur das Unternehmen und Barbara Schöneberger behaupten also, dass das Kleid für 8,99 Euro nachhaltig und fair ist. Auch das Siegel der deutschen Bundesregierung bescheinigt das. Gibt es echte Nachhaltigkeit also wirklich zum Spottpreis?
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https://letsflip.de/lidl-rueckzug-myanma...tm_medium=email
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