Mathias Enard: Tanz des Verrats
Der vielfach ausgezeichnete französische Autor Mathias Enard legt einen neuen Roman vor: Mit "Tanz des Verrats" sprengt er wieder einmal herkömmliche Leseerwartungen.
von Judith Heitkamp
Wie gewohnt, Mathias Enard will alles. Das Schlimmste und das Beste. Totale Gewalt - totaler Geist. Der Mensch im maximalen Gegensatz - in einem Roman. Der diesmal aber aus so unterschiedlichen Hälften besteht, dass man eigentlich von zwei Büchern sprechen kann, stilistisch, inhaltlich, perspektivisch.
Spätestens als der Krieg in der Ukraine ausbrach, sagt Mathias Enard, sei er überzeugt gewesen, dass zwei Geschichten notwendig seien. Die Erzählung der politischen Ereignisse und die der extrem grausamen Realität nämlich. Der eine Erzählstrang ist rough, brutal, tierisch fast, ein namenloser Deserteur in einem namenlosen Krieg. Wir, beim Lesen, sind er, sind Ich, manchmal auch nicht. Alles verschwimmt, wo es nur um Durchhalten und Aushalten und Essen und Trinken und kaputte Körper geht. Epischer Ton, teils sogar Verse.
Wasser und Sonne vertreiben den beißenden Geruch nach Fett und Blut, den dein Körper angenommen hat
hoch am Himmel kreisen Vögel und Flugzeuge.
Der andere Romanstrang hat eine völlig andere Erzählweise. Mathematiker und Mathematikerinnen - Vertreter des abstrakten Geistes - treffen sich. Auf einem Havel-Dampfer soll ein Kolloquium stattfinden. Zu Ehren eines - von Enard erfundenen - Großen des Fachs, Paul Heudeber, der das KZ Buchenwald überlebt hat und sich nach dem Krieg für die DDR entschied.
Paul definierte sich als antifaschistischer Mathematiker. Er war störrisch wie ein Axiom. Ich erinnere mich, dass ich bei dieser allgemeinen Charakterisierung meines Vaters lächeln musste.
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https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Ein...d,enard100.html
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