Was Smartphones über Abtreibungen verraten können
Nach dem folgenreichen Urteil zu Abtreibungen in den USA löschen Frauen aus Angst vor der Polizei ihre Zyklus-Apps. Dabei gibt es noch ganz andere Denunzianten.
In einem gespaltenen Land sind die Sorgen der beiden Lager sehr unterschiedlich. So steht in den USA einerseits die App Tiktok im Kreuzfeuer. Republikanische Senatoren machen Druck auf das Unternehmen Bytedance aus Peking, weil der chinesische Staat dessen beliebte Video-App wohl nutzen kann, um an private Daten von US-Nutzern heranzukommen.
Auf der anderen Seite fürchten sich viele Frauen statt vor China eher vor dem eigenen Staat und seinem Überwachungsapparat. Denn wo Abtreibung eben noch legal war, ist sie seit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs in vielen konservativen Staaten ein Verbrechen - egal, wie verzweifelt eine Schwangere ist. Das bedeutet auch, dass der Umgang mit persönlichen Daten im Smartphone nochmals auf den Prüfstand gestellt wird.
Denn Telefone gelten als "Fenster zur Seele": Mit der richtigen Auswertungs-Software können Außenstehende nicht nur rekonstruieren, ob eine Frau schwanger war, sondern auch, wann diese Schwangerschaft endete. Viele Frauen löschen deshalb ihre Zyklus-Apps, in der Daten zu Eisprung, Sex - ob ungeschützt oder nicht - oder ausbleibender Periode erfasst werden. Ihre Furcht: Die Polizei in einem Bundesstaat, der Abtreibungen unter Strafe stellt, könnte Daten von den Anbietern solcher Apps auswerten. Ein Staatsanwalt könnte dann anhand der Daten vor Gericht argumentieren, dass die Frau ja bis zu einem bestimmten Zeitpunkt schwanger gewesen sei. So müssen Ermittler nicht den wenig erfolgversprechenden Versuch unternehmen, sich besonders geschützte Daten aus Kliniken oder von Ärzten zu beschaffen.
Die Geschichten von den verräterischen Zyklus-Apps gehen um die Welt. Aber womöglich ist der Fokus auf diese Apps fehlgeleitet. Das Problem sei viel größer, schreibt Cory Doctorow, bei der Electronic Frontier Foundation einer der profiliertesten Aktivisten für den Schutz der digitalen Privatsphäre, in seinem Blog. Er gesteht zwar zu, dass viele Zyklus-Apps in Sachen Datenschutz Vollkatastrophen seien. Dennoch dürften sich Frauen nicht der Illusion hingeben, das Löschen einer solchen App würde ihnen Sicherheit bieten.
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