Oliver Decker: "Bei den Ressentiments gleicht sich der Westen dem Osten an"
Die neueste Leipziger Mitte-Studie zeigt: Autoritäre Einstellungen breiten sich aus. Im Interview erklärt Studienleiter Oliver Decker, was das mit dem Westen zu tun hat.
Seit 2002 untersucht die Leipziger Autoritarismus-Studie, auch als Mitte-Studie bekannt, alle zwei Jahre autoritäre und rechtsextreme Einstellungen in der Gesellschaft. An diesem Mittwoch wurde die aktuelle Studie in Berlin vorgestellt. Befragt wurden 2.500 Menschen in Ost- und Westdeutschland, in diesem Jahr mit einem Schwerpunkt zu antisemitischen Einstellungen.
Oliver Decker leitet das Else-Frenkel-Brunswik-Institut für Demokratieforschung an der Universität Leipzig, zusammen mit einem Forschungsteam hat er die neuen Ergebnisse erhoben. Und festgestellt: Autoritäre Einstellungen verbreiten sich weiter, im ganzen Land.
ZEIT ONLINE: Die neue Autoritarismus-Studie trägt den Titel Vereint im Ressentiment. Was steckt dahinter?
Decker: Es gibt im Osten Deutschlands weiterhin verbreitet fremdenfeindliche und autoritäre Positionen. Darüber gerät aber manchmal aus dem Blick: Auch Westdeutschland ist keine Insel der Seligen, auch dort verändert sich die Atmosphäre. Am deutlichsten fällt das bei Ausländerfeindlichkeit auf, also dann, wenn Menschen als Fremde, als Bedrohung für das Eigene markiert werden. Da ist auch in Westdeutschland ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen, wie auch bei anderen autoritären Positionen. Bei den Ressentiments gleicht sich der Westen dem Osten also an.
ZEIT ONLINE: Überrascht Sie dieser Befund?
Decker: Nein. Uns war klar, dass wir stärker auf den Westen schauen müssen, auch weil die Aufmerksamkeit wegen der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen eher auf dem Osten lag.
ZEIT ONLINE: In den USA wurde gerade Donald Trump gewählt, auch in anderen Ländern gewinnen autoritäre Bewegungen an Kraft. Reiht sich Deutschland da ein?
Decker: In gewisser Weise ja, auch wenn es deutsche Spezifika gibt. Die gesellschaftliche Dynamik in den letzten 20, 30 Jahren führt in vielen Ländern zu autoritären Sehnsüchten, die vor allem extrem rechte Politiker, Parteien und Bewegungen hervorbringen und stützen. Dahinter steckt auch der Wunsch nach Sicherheit in einer Welt, die geprägt ist von Herausforderungen und Entgrenzungen.
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