Anwalt Peter Fahlbusch zu Abschiebehaft„Mehr als die Hälfte rechtswidrig inhaftiert“
Vergessen und im falschen Knast: Peter Fahlbusch beobachtet viele Fehler bei der Abschiebehaft. Aber die Regierung will die Rechte Betroffener einschränken.
taz: Herr Fahlbusch, im Juni hat das Kabinett nach eigenen Worten beschlossen, den „verpflichtend beigestellten Rechtsbeistand vor der Durchsetzung der Abschiebung“ abzuschaffen. Jetzt kommt das Gesetz in den Bundestag. Was heißt das in der Praxis?
Peter Fahlbusch: Das bedeutet zunächst einmal, dass die Koalitionäre das Gesetz nicht richtig gelesen haben. Einen „verpflichtend beigestellten Rechtsbeistand vor der Durchsetzung der Abschiebung“ gibt es gar nicht.
taz: Ach so?
Fahlbusch: Wahrscheinlich meint der Koalitionsvertrag die im Februar 2024 eingeführte Regelung, der zufolge Menschen in Abschiebungshaft eine sogenannte Pflichtanwält*in bestellt wird, wenn sie noch nicht anwaltlich vertreten werden. Friedrich Merz hatte schon im Kanzlerduell die Abschaffung der Pflichtanwält*innen anklingen lassen, da sie seiner Auffassung nach Abschiebungen mit „allen Tricks“ verhindern würden. Das ist blanker Populismus und hat mit der bestehenden gesetzlichen Regelung nichts zu tun.
taz: Was ist denn die Aufgabe der Pflichtanwält*innen?
Fahlbusch: Sie überprüfen einzig, ob die Haft rechtmäßig angeordnet wurde. Wenn diese Regelung abgeschafft wird, hängt es wieder von Glück, individuellem Zugang zu Informationen, sozialen Netzwerken und Vermögen ab, ob Menschen an eine Anwält*in kommen. Ich habe seit 2001 bundesweit gut 2.600 Mandant*innen in Abschiebungshaft begleitet, mehr als die Hälfte der Betroffenen war zumindest teilweise rechtswidrig inhaftiert. Im Durchschnitt saßen sie knapp 4 Wochen zu Unrecht in Haft. Das zeigt, wie notwendig Anwält*innen für diese Menschen sind.
taz: Warum sitzen so viele Menschen zu Unrecht in Abschiebungshaft?
Fahlbusch: Die Palette an Fehlern ist unfassbar breit. Teilweise sitzen Leute in Haft, obwohl sie das Land gar nicht verlassen müssen, krank und deswegen haftunfähig oder minderjährig sind. Teilweise sind Leute im falschen Gefängnis eingesperrt, also in Strafhaftanstalten mit entsprechend härteren Bedingungen. Manche werden schlicht in Abschiebungshaft vergessen: Wenn sie einmal inhaftiert sind, kümmert sich die zuständige Behörde nicht zeitnah darum, die für die Abschiebung notwendigen Dokumente zu beschaffen.
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