Sag mir wo die Blumen sind
Sag mir wo die Blumen sind,
wo sind sie geblieben
Sag mir wo die Blumen sind,
was ist geschehen?
Sag mir wo die Blumen sind,
Mädchen pflückten sie geschwind
Wann wird man je verstehen,
wann wird man je verstehen?
Sag mir wo die Mädchen sind,
wo sind sie geblieben?
Sag mir wo die Mädchen sind,
was ist geschehen?
Sag mir wo die Mädchen sind,
Männer nahmen sie geschwind
Wann wird man je verstehen?
Wann wird man je verstehen?
Sag mir wo die Männer sind
wo sind sie geblieben?
Sag mir wo die Männer sind,
was ist geschehen?
Sag mir wo die Männer sind,
zogen fort, der Krieg beginnt,
Wann wird man je verstehen?
Wann wird man je verstehen?
Sag wo die Soldaten sind,
wo sind sie geblieben?
Sag wo die Soldaten sind,
was ist geschehen?
Sag wo die Soldaten sind,
über Gräben weht der Wind
Wann wird man je verstehen?
Wann wird man je verstehen?
Sag mir wo die Gräber sind,
wo sind sie geblieben?
Sag mir wo die Gräber sind,
was ist geschehen?
Sag mir wo die Gräber sind,
Blumen wehen im Sommerwind
Wann wird man je verstehen?
Wann wird man je verstehen?
Sag mir wo die Blumen sind,
wo sind sie geblieben?
Sag mir wo die Blumen sind,
was ist geschehen?
Sag mir wo die Blumen sind,
Mädchen pflückten sie geschwind
Wann wird man je verstehen?
Wann wird man je verstehen?
https://www.youtube.com/watch?v=HRhHpTRuBrk
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Totentanz 1916
So sterben wir, so sterben wir,
Wir sterben alle Tage,
Weil es so gemütlich sich sterben läßt.
Morgens noch in Schlaf und Traum
Mittags schon dahin.
Abends schon zu unterst im Grabe drin.
Die Schlacht ist unser Freudenhaus.
Von Blut ist unsere Sonne.
Tod ist unser Zeichen und Losungswort.
Kind und Weib verlassen wir -
Was gehen sie uns an?
Wenn man sich auf uns nur
Verlassen kann.
So morden wir, so morden wir.
Wir morden alle Tage
Unsre Kameraden im Totentanz.
Bruder reck dich auf vor mir,
Bruder, deine Brust!
Bruder, der du fallen und sterben mußt.
Wir murren nicht, wir knurren nicht.
Wir schweigen alle Tage,
Bis sich vom Gelenke das Hüftbein dreht.
Hart ist unsere Lagerstatt
Trocken unser Brot.
Blutig und besudelt der liebe Gott.
Hugo Ball
Reset the World!
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Zitat von scrabblix
Am zwölften Juli des Jahres 2003 (...) Die Erde war aber endlich still und zufrieden und rollte völlig beruhigt ihre bekannte elliptische Bahn.
Kästner schrieb gute Haushaltsware. Allerdings hat seine Vision einen Haken: Das Universum besitzt nunmal die Tendenz Leben zu entwickeln, und fängt dann halt hier oder Wo-auch-immer wieder von vorne an und egal, was dabei rum kommt, sobald es in der Lage ist zu abstrahieren, wird es nicht den damit einhergehenden eigenen moralischen Ansprüchen mehr genügen. Das würde nämlich §1 bis §2, dem Selbsterhalt und dem universellen Explorationstrieb widersprechen. Das Gewissen ist der Preis für Zivilisation. Es soll wie ein zu enger Schuh nerven - das ist sein Job. Wer kann sich denn guten Gewissens ein gutes Gewissen leisten? Na? Ich nicht. Da bekäme ich sofort ein schlechtes Gewissen.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Die Brücke über den Rhein
Heute bleibe ich steh'n
und es ist anders
als sonst,
auch wenn die Sonne lacht
auf der Brücke
über den Rhein.
Gedenke derer,
Sinti und Roma
die nicht freiwillig gingen
und mussten doch
über die Brücke
über den Rhein.
Ich spüre die Angst
und die Ohnmacht
und die Kinder dabei
als sie gingen
über die Brücke
über den Rhein.
Heut friedliches Haus,
gestern noch Totenhaus
zwischengelagert die Menschen
nachdem sie gingen
über die Brücke
über den Rhein.
Als sie getrieben wurden
wie das Vieh aus dem Haus
in die Waggons hinein
konnten sie noch einmal sehen
die Brücke
über den Rhein.
Menschen,
die da getötet wurden und töteten
waren Menschen
wie du und ich
Menschen,
die immer noch gehen
über die Brücke
über den Rhein.
Malina
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Durs Grünbein
[Heimliche Rückkehr]
Wie schön das war, Leben, als noch alles im Argen lag.
Verfallene Häuser, Matratzen, die unter Birken schwelten.
Eine Kindheit vor Dresden bis zum Einmarsch in Prag ...
Und der Traum restaurierte, was draußen fehlte.
Solche Ferne auf engstem Raum. Grauzone morgens,
Das fing auf der Netzhaut an, im vernebelten Denken.
Hier geboren sein, hieß nicht, man war hier geborgen.
Am Polarkreis, wer lebt da gern? Tschuktschen, Ewenken?
Staub oder Dunst oder Ruß – das Gemüt, früh bedrückt
Von der Landschaft in Bleisatz, dem Graudruck ringsum,
Federt spät erst wie Tundra, gefrorener Boden, zurück,
Bis als letzter der Zeugen das Gedächtnis verstummt.
Februar 2002
http://www.lose-blaetter.de/20_heim.html
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https://www.youtube.com/watch?v=XHUPdX5vj6k
Matthias Claudius
Kriegslied
1778
's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
's ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten
In ihrer Todesnot?
Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch' und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?
Was hülf mir Kron' und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
's ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
Schreiben macht schön.
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Elegie von Abschied und Wiederkehr
Ich weiß, ich werde alles wiedersehn.
Und es wird alles ganz verwandelt sein,
ich werde durch erloschne Städte gehn,
darin kein Stein mehr auf dem andern Stein -
und selbst noch wo die alten Steine stehen,
sind es nicht mehr die altvertrauten Gassen -
Ich weiß, ich werde alles wiedersehen
und nichts mehr finden, was ich einst verlassen.
Der breite Strom wird noch zum Abend gleiten.
Auch wird der Wind noch durch die Weiden gehn,
die unberührt in sinkenden Gezeiten
die stumme Totenwacht am Ufer stehn.
Ein Schatten wird an unsrer Seite schreiten
und tiefste Nacht um unsre Schläfen wehn -
Dann mag erschauernd in den Morgen reiten,
der lebend schon sein eignes Grab gesehn.
Ich weiß, ich werde zögernd wiederkehren,
wenn kein Verlangen mehr die Schritte treibt.
Entseelt ist unsres Herzens Heimbegehren,
und was wir brennend suchten, liegt entleibt.
Leid wird zu Flammen, die sich selbst verzehren,
und nur ein kühler Flug von Asche bleibt -
Bis die Erinnrung über dunklen Meeren
ihr ewig Zeichen in den Himmel schreibt.
Carl Zuckmayer
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Der Soldat
Hans Christian Andersen
Deutsche Übersetzung: Adelbert von Chamisso
Es geht bei gedämpfter Trommeln Klang;
Wie weit noch die Stätte ! der Weg wie lang!
O wär’ er zur ruh’ und alles vorbei!
Ich glaub’, es bricht mir das Herz entzwei!
Ich hab’ in der Welt nur ihn geliebt,
Nur ihn, dem jetzt man den Tod doch gibt!
Bei klingendem Spiele wird paradiert,
Dazu, dazu bin auch ich kommandiert.
Nun schaut er auf zum letzten Mal
In Gottes Sonne freudigen Strahl;
Nun binden sie ihm die Augen zu –
Dir schenke Gott die ewige Ruh’!
Es haben dann neun wohl angelegt ;
Acht Kugeln haben vorbeigefegt.
Sie zitterten alle vor Jammer und Schmerz –
Ich aber, ich traf ihn mitten in das Herz.
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Wilhelm Hauff: Morgenrot, Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod?
1824; als "Reiters Morgenlied bekannt"
Morgenrot, Morgenrot,
Leuchtest mir zum frühen Tod?
|: Bald wird die Trompete blasen,
Dann muß ich mein Leben lassen,
Ich und mancher Kamerad!
Kaum gedacht, kaum gedacht,
Wird der Lust ein End gemacht!
|: Gestern noch auf stolzen Rossen,
Heute durch die Brust geschossen,
Morgen in das kühle Grab!
Ach wie bald, ach wie bald,
Schwindet Schönheit und Gestalt!
|: Strahlst du gleich mit deinen Wangen,
Die wie Milch und Purpur prangen,
Ach, die Rosen welken all!
Darum still, darum still
Füg ich mich, wie Gott es will.
|: Nun, so will ich wacker streiten,
Und sollt ich den Tod erleiden,
Stirbt ein braver Reitersmann!
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Alle Tage
Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.
Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.
Er wird verliehen
für die Flucht von den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls.
Ingeborg Bachmann
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Wacht auf!
Wacht auf, - denn eure Träume sind schlecht!
Bleibt wach, - weil das Entsetzliche näher kommt.
Auch zu dir kommt es, der weitentfernt wohnt
von den Stätten, wo Blut vergossen wird,
auch zu dir und deinem Nachmittagsschlaf,
worin du ungern gestört wirst.
Wenn es heute nicht kommt, kommt es morgen,
aber sei gewiß.
"Oh, angenehmer Schlaf
auf dem Kissen mit roten Blumen,
einem Weihnachtsgeschenk von Anita, woran sie drei Wochen gestickt hat,
oh, angenehmer Schlaf,
wenn der Braten fett war und das Gemüse zart.
Man denkt im Einschlummern an die Wochenschau von gestern abend:
Osterlämmer, erwachende Natur, Eröffnung der Spielbank in Baden-Baden,
Cambridge siegte gegen Oxford mit zweieinhalb Längen, -
das genügt, das Gehirn zu beschäftigen.
Oh, diese weichen Kissen, Daunen aus erster Wahl!
Auf ihm vergißt man das Ärgerliche der Welt, jene Nachricht zum Beispiel:
Die wegen Abtreibung Angeklagte sagte zu ihrer Verteidigung:
Die Frau, Mutter von sieben Kindern, kam zu mir mit einem Säugling,
für den sie keine Windeln hatte und der
in Zeitungspapier gewickelt war.
Nun, das sind Angelegenheiten des Gerichtes, nicht unsre.
Man kann dagegen nichts tun, wenn einer etwas härter liegt als der andre.
Und was kommen mag, unsere Enkel mögen es ausfechten."
Ach, du schläfst schon? Wache gut auf, mein Freund!
Schon läuft der Strom in den Umzäunungen, und die Posten sind aufgestellt.
Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind!
Seid mißtrauisch gegen ihre Macht, die sie vorgeben für
euch erwerben zu müssen.
Wacht darüber, daß eure Herzen nicht leer sind, wenn mit
der Leere eurer Herzen gerechnet wird!
Tut das Unnütze, singt die Lieder, die man aus eurem Mund nicht erwartet!
Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt!
Günter Eich
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Frage
Kann man nach zwei verlorenen Kriegen,
Nach butigen Schlachten, schrecklichen Siegen,
Nach all dem Morden, all dem Vernichten,
Kann man nach diesen Zeiten noch dichten?
Die Antwort kann nur folgende sein:
Dreimal Nein!
Robert Gernhardt
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ÜBER DEN KRIEG
Es gibt Kriege
welche geführt werden müssen
Das sind die wenigsten
Es gibt Kriege
welche vermieden werden können
sie sieht keiner
Es gibt Kriege
welche unnötig sind
Bestimme ihren Wert
Krieg ist die Umsetzung
von Ungeduld in
Unberechenbarkeit
Drum prüfe sich
wer zu den Waffen greift
Martin Dragositz
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Die Letzten.
(Nach einem grossen Sterben.)
»Reich mir deine Hand,
Lass uns feierlich und leise schreiten,
Wo von Wand zu Wand
Schwarze Tücher sich im Kreuze breiten.
Zweig vom Lebensbaum
Knistert unter unsern Schwebetritten,
Mit des Kleides Saum
Welke Rosen übern Boden glitten.
Nachtwind haucht dies Lied
Und sein Rhythmus leitet unsre Glieder –
Wie die Wolke zieht,
Glänzt der Mond und hüllt uns Schatten wieder. –
Dein Gesicht wie Glas –
Deine Augen nicht mehr Menschenaugen –
Weine nicht und lass
Uns das Mohngift dieser Stunde saugen.
Den mein Mund nicht spricht –
Der die andern schlug, die draussen schlafen –
Sieh! – er stört uns nicht;
Denn wir lenken schon in seinen Hafen
Nicht in Qual und Wut
Wie die andern wollen wir erliegen.
Komm! Es schläft sich gut
Wenn wir sanft in seinen Arm uns schmiegen.
Reich mir deine Hand,
Lass uns feierlich und leise schreiten
In das dunkle Land
In die Arme, die sich nach uns breiten.«
Felicitas Leo
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UND WAS BEKAM DES SOLDATEN WEIB
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus der alten Hauptstadt Prag?
Aus Prag bekam sie die Stöckelschuh.
Einen Gruß und dazu die Stöckelschuh
Das bekam sie aus der Stadt Prag.
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus Warschau am Weichselstrand?
Aus Warschau bekam sie das leinene Hemd
So bunt und so fremd, ein polnisches Hemd!
Das bekam sie vom Weichselstrand.
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus Oslo über dem Sund?
Aus Oslo bekam sie das Kräglein aus Pelz.
Hoffentlich gefällt‘s, das Kräglein aus Pelz!
Das bekam sie aus Oslo am Sund.
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus dem reichen Rotterdam?
Aus Rotterdam bekam sie den Hut.
Und er steht ihr gut, der holländische Hut.
Den bekam sie aus Rotterdam.
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus Brüssel im belgischen Land?
Aus Brüssel bekam sie die seltenen Spitzen.
Ach, das zu besitzen, so seltene Spitzen!
Sie bekam sie aus belgischem Land.
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus der Lichterstadt Paris?
Aus Paris bekam sie das seidene Kleid.
Zu der Nachbarin Neid das seidene Kleid
Das bekam sie aus Paris.
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus dem libyschen Tripolis?
Aus Tripolis bekam sie das Kettchen.
Das Amulettchen am kupfernen Kettchen
Das bekam sie aus Tripolis.
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus dem weiten Russenland?
Aus Rußland bekam sie den Witwenschleier.
Zu der Totenfeier den Witwenschleier
Das bekam sie aus Rußland.
Bertolt Brecht
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