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RE: Herbstblätter

#1 von scrabblix , 22.09.2016 20:37

Viele bunte Herbstblätter werden diesen Thread hoffentlich bald rascheln lassen. Ich freue mich auf eure Beiträge!

Wir können ihn nicht aufhalten, ihr Lieben, also heißen wir ihn willkommen, mit dem schönsten Herbstgedicht, das ich kenne:

Herbsttag

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke


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RE: Herbstblätter

#2 von Sirius , 22.09.2016 20:48

Ja, das ist auch mein liebstes Herbstgedicht, Lotte.
Schön, dass du damit beginnst!

Sirius


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RE: Herbstblätter

#3 von Letreo71 , 22.09.2016 22:23


Schreiben macht schön.

 
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RE: Herbstblätter

#4 von Sirius , 22.09.2016 22:25

;)


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RE: Herbstblätter

#5 von Frollein a. , 22.09.2016 23:36

Sommerbild

Ich sah des Sommers letzte Rose stehn, 
Sie war, als ob sie bluten könne, rot; 
Da sprach ich schauernd im Vorübergehen: 
»So weit im Leben, ist zu nah am Tod!«

Es regte sich kein Hauch am heißen Tag, 
Nur leise strich ein weißer Schmetterling; 
Doch, ob auch kaum die Luft sein Flügelschlag 
Bewegte, sie empfand es und verging
( Friedrich Hebbel)

Danke, liebe Lotte, für diese Idee! Dem Herbst gebührt ein besonderer Platz...

Alles Liebe

a.

 
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RE: Herbstblätter

#6 von Sirius , 23.09.2016 00:18

Septembermorgen

"Im Nebel ruhet noch die Welt ,
noch träumen Wald und Wiesen,
bald siehst du wenn der Schleier fällt ,
den klaren Himmel unverstellt ,
herbstkräftig die gedämpfte Welt im warmem Golde fließen"

Eduard Mörike


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RE: Herbstblätter

#7 von Frollein a. , 23.09.2016 05:51

Lieber sirius,

Das ist und bleibt eins der schönsten Gedichte, die ich kenne..

Liebe Grüße

Frollein a

 
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RE: Herbstblätter

#8 von scrabblix , 23.09.2016 21:39

Erntezeit

Ich habe die Felder nicht reifen sehen
nicht Äpfel und nicht Birnen
begleitet wurd mein Nachhausegehen
von himmlischen Gestirnen

ich habe das Meer nicht rauschen hören
kein Fuß ist im Sand gestrandet
nachts wollte ich deinen Schlaf nicht stören
du kennst mich nachtlich gewandet

wird uns der Herbst seinen Zauber entfalten
mit süßen Früchten und goldnem Wein
lässt er die stürmischen Winde walten
und Liebe Liebe gewesen sein?

scrabblix


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RE: Herbstblätter

#9 von Sirius , 23.09.2016 23:16

Etwas bitter, zweifelnd, traurig, aber so schön, Lotte.

Sirius


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RE: Herbstblätter

#10 von Sirius , 24.09.2016 00:31

Das Abendrot im Herbst

Das Abendrot, das den Himmel an schönen Herbsttagen schon spätnachmittags zum Glühen bringt, ist der Widerschein des großen Ofens über den Wolken.
Der wird nun von Tag zu Tag früher angezündet, weil die Engel gerade in dieser Zeit besonders viel zu tun haben.
Sie backen da oben nämlich die Plätzchen, die die Kinder hier unten am Nikolaustag und am Weihnachtsabend zwischen Nüssen und anderen Süßigkeiten auf ihren Tellern finden.

Mär vom Niederrhein


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RE: Herbstblätter

#11 von scrabblix , 24.09.2016 22:37

Herbstzeitlose

Ein Apfelbaum stöhnt unter schwerer Last
die Vogelschar macht eine kurze Rast
der erste Schnee liegt auf dem höchsten Berg

die frühen Nebel decken sanft das Feld
die Sonne lacht noch über diese Welt
und Wolken schauen auf ihr feuchtes Werk

den Sommer hab ich allerdings nicht satt
ich fürchte heute schon das letzte Blatt
das mir bald winkt aus dem kahlen Geäst

drum kette ich die Sonne an mein Haus
sperre sie ein und lass sie nicht hinaus
ob sie sich solches wohl gefallen lässt?

scrabblix


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RE: Herbstblätter

#12 von Sirius , 25.09.2016 00:41

So richtig will sich dein LI (?) wohl noch nicht mit dem Herbst abfinden, liebe Lotte.
Mir gefallen deine Herbstgedichte sehr.

Sirius


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RE: Herbstblätter

#13 von Jonny , 25.09.2016 09:08

Da schließ ich mich dem Sirius gern an, deine Herbstgedichte gefallen mir auch Lotte.
Irgendwie schwingt da eine Sehnsucht mit, ein festhalten der Wärme.
Aber ob sich diese Sonne festhalten lässt?
Ein wunderschöner Gedanke...

Liebe Grüße in den Sonnigen Morgen
Jonny

 
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RE: Herbstblätter

#14 von scrabblix , 25.09.2016 19:12

Ich danke euch, Jungs!

Ich fürchte, auf Dauer werde ich sie nicht festhalten können, Jonny. aber noch zeigt sie sich ja von ihrer besten Seite. Das versöhnt ein wenig mit dem späten Beginn des Sommers. Doch will ich mich nicht beschweren, bedenke ich, wie es im nichtvorhandenen Sommer vor zweihundert Jahren, im Jahre "Achtzehnhundertunderfroren", aussah. Damals ging der Winter gleich in den Herbst über. In dieser düsteren Zeit entstanden Frankenstein, der erste Vampir und so manch finsteres Gedicht.

https://www.welt.de/geschichte/article11...nz-ausfiel.html

http://www.regionalgeschichte.net/filead...rohneSommer.pdf


Finsternis

Mir kam ein Traum - es war nicht ganz ein Traum.
Die schöne Sonne war verglüht; die Sterne
Verdunkelt kreisten in dem ew'gen Raum,
Weglos und ohne Strahl; blind zog die Erde
In mondesleerer Luft. Der Morgen kam
Und ging und kam, und brachte keinen Tag.
Die Menschen, grausend in der kalten Öde,
Vergaßen ihre Leidenschaften, schrien
Nicht Licht, selbstsüchtig betend, und sie lebten
Um offne Feuer - königliche Throne,
Paläste, Hütten, jede Wohnstatt wurde
Verbrannt, damit das Dunkel sich erhelle;
Volkreiche Städte wurden eingeäschert -
Und bei den Flammen drängten sich die Menschen,
Nur einmal noch ins Antlitz sich zu schauen.
Die Nachbarn der Vulkane waren glücklich,
Weil Licht verstreuten ihres Kraters Fackeln:
Angstvolles Hoffen nur war in der Welt.
Der Brand flog in den Wald - und Stund' um Stunde
War grasser die Verwüstung; Äste krachten
Und Stämme stürzten nieder - schwarz war alles.
Die Menschen sahen nicht mehr irdisch aus
Im schaudervollen Schein, der hin und wieder
Auf ihre Stirnen fiel. Die einen weinten,
Ihr Aug' verhüllend; andre preßten auf
Geballte Hände fest ihr Kinn und lachten;
Und andre rannten hin und her und nährten
Die Scheiterhaufen für die Toten, und
Mit Wahnsinns Unruh' blickten sie zum Himmel,
Dem Leichentuch der Welt. Dann warfen sie
Sich fluchend in den öden Staub, und Heulen
Und Zähneknirschen war. Raubvögel fielen
Erschrocken auf den Grund und schlugen um
Sich mit gelähmten Schwingen. Bestien kamen,
Einst wild, nun zahm und zitternd. Vipern krochen
Inmitten der geknäulten Menge, zischend,
Doch ohne Zahn - erschlagen wurden sie
Und aufgezehrt. Der Krieg, nach kurzem Stillstand,
War übersatt. Mit Blut war jede Mahlzeit
Erkauft; und jeder saß einsam und düster
Und schlang im Finstern -: Liebe war nicht mehr.
Nur ein Gedanke war auf Erden und
Der war - ruhmloser Tod. Der grimm'ge Biß
Des Hungers nagte an den Eingeweiden.
Die Menschen starben, unbegraben blieb
Das Fleisch; von Magern nährten sich die Magern,
Die Hunde selbst zerrissen ihre Herrn.
Treu blieb nur einer einem armen Leichnam
Und war sein Hüter — Tier und Mensch verscheucht' er,
Bis sie der Hunger trieb und jener Tote
Die dürren Kiefern reizte. Doch der Hund
Nahm nichts. Verzweifelt klagend und mit kurzem
Wehschrei die Hände leckend, die nicht mehr
Wie einst liebkosend Antwort gaben - starb er.
Des Hungertodes Beute wurde jeder.
Lebendig waren zwei zuletzt aus einer
Gewalt'gen Stadt, zwei Feinde, die sich fanden
An eines Altars ausgelöschter Asche,
Wo heilige Geräte lagen zu
Unheiligem Gebrauch. Sie scharrten schauernd
Mit ihren kalten Knochenhänden in
Der schwachen Asche, und ihr schwacher Atem
Gab ihr ein fahles Leben, eine Flamme,
Die Spott nur war. Dann hoben sie die Augen -
Es war nun heller, und sie sahen sich
Ins Antlitz - kreischten auf vor Angst und starben;
Sie starben an dem grauenhaften Anblick,
Unwissend, wer der war, auf dessen Stirne
Die Hungersnot geschrieben hatte: Teufel...
Die Welt war leer, ein Ballen Arm und Reich,
Der Jahreszeit beraubt und ohne Leben,
Ein Klumpen Toter und des Staubes Chaos.
Die Flüsse standen still und alle Meere,
Nichts regte sich in ihres Schweigens Tiefe.
Die Schiffe lagen unbemannt und faulten,
Stückweis' zerfielen ihre morschen Masten
Und schliefen ruhig in dem starren Abgrund.
Die Wellen tot, im Grabe die Gezeiten;
Der Mond, ihr Meister, war schon längst erloschen.
Der Wind war aus, die Luft erstickt, die Wolken
Waren verschwunden; ihre Hilfe hatte
Die Finsternis nicht not - sie war das All.

George Gordon Lord Byron: Darkness
Übersetzung: Fritz Lemmermeyer


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RE: Herbstblätter

#15 von Sirius , 26.09.2016 00:38

Danke, Lotte, für die interessanten Links und für den beeindruckenden Text!

Sirius


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