Hoffentlich hat der Herbst noch ein paar schöne Tage im Gepäck. Vielleicht kann ich ihn mit einem Gedicht milde stimmen.
Gedenkblatt an September
Wer sagte, jenes Vogelwort
sei der September, der nicht wiederkehrt?
Ich schreibe Mai. Am Festerglas
vibriert das Mittagslicht.
Mit dem Geruch von Kampfer,
gepresstem Laub im Alten Testament
steigt der verschollene Herbst
noch einmal aus der Truhe
Was ich nicht glaubte, wolltest du
nicht wissen.
Rainer Brambach
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Schöner Herbst
Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Die Luft ist klar und kalt und windig,
weiß Gott: ein Vormittag, so find ich,
wie man ihn oft erleben mag.
Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Jetzt schlägt das Meer mit voller Welle
gewiß an eben diese Stelle,
wo dunnemals der Kurgast lag.
Ich hocke in der großen Stadt:
und siehe, durchs Mansardenfenster
bedräuen mich die Luftgespenster …
Und ich bin müde, satt und matt.
Dumpf stöhnend lieg ich auf dem Bett.
Am Strand war es im Herbst viel schöner …
Ein Stimmungsbild, zwei Fölljetöner
und eine alte Operett!
Wenn ich nun aber nicht mehr mag!
Schon kratzt die Feder auf dem Bogen –
das Geld hat manches schon verbogen …
Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Kurt Tucholsky
Reset the World!
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Das ist der Herbst
Das ist der Herbst; die Blätter fliegen,
Durch nackte Zweige fährt der Wind;
Es schwankt das Schiff, die Segel schwellen -
Leb wohl, du reizend Schifferkind!
Sie schaute mit den klaren Augen
Vom Bord des Schiffes unverwandt,
Und Grüße einer fremden Sprache
Schickte sie wieder und wieder ans Land.
Am Ufer standen wir und hielten
Den Segler mit den Augen fest -
Das ist der Herbst, wo alles Leben
Und alle Schönheit uns verlässt.
Theodor Storm
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Im Herbst
Ernst ist der Herbst.
Und wenn die Blätter fallen,
Sinkt auch das Herz zu trübem Weh herab.
Still ist die Flur,
Und nach dem Süden wallen
Die Sänger, stumm, wie nach dem Grab.
Bleich ist der Tag,
Und blasse Nebel schleiern
Die Sonne wie die Herzen ein.
Früh kommt die Nacht:
Denn alle Kräfte feiern,
Und tief verschlossen ruht das Sein.
Sanft wird der Mensch,
Er sieht die Sonne sinken,
Er ahnt des Lebens und des Jahres Schluss.
Feucht wird das Aug',
Doch in der Träne Blinken
Entströmt des Herzens seligster Erguss.
Klaus Groth
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noch ist herbst (2004)
noch ist herbst
der schwan steckt noch nicht fest im eis
die soko wasserleiche
fährt noch über uferdeiche
solang noch irgendjemand irgendetwas mit sich reißt
noch ist herbst
der wind hat noch das laub zum spielen
das blassgestochne arschgeweih
trinkt sich die alten freunde neu
und schreit sich taub, als die im uferlaub blank auf sie fielen
noch ist herbst
noch geht es, fortzuschleifen, was nicht selber geht
die vögel fliegen formatiert
dorthin, wo ihnen nichts passiert
wer bleiben muss, der sucht im fluss, ob sich noch irgendwas bewegt
hilfsmüller
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Leider hat der hilfsmüller aufgehört, bevor ich hier war. Das ist saustark. Das brennt.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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