November
Leichensteine kalt und stumm
Im grauen Novemberwetter,
Greisenhaft um die Kreuze herum
Schwatzen gefallener Blätter.
Was lallst du kindisch vor dich hin,
Was malst du mit deinem Stabe,
Was hast du Heimliches im Sinn,
Du Alter dort auf dem Grabe?
Was soll dein Kichern und Grinsen, Mann,
Und dein vertrauliches Nicken?
Was sengest du meine Seele an
Mit deinen glimmenden Blicken?
Im Herzen drängt die arme Flut,
Und ängstlich fühl ich’s klopfen –
Ich fühl’s, du schlürfst aus mir das Blut
Tropfen gemach nach Tropfen,
Ich fühl’s, mein Leben blutet dir
In mattem Sickern zu,
Ich fühl es, langsam wirst aus mir,
Du müder Alter, du.
Ferdinand Ernst Albert Avenarius
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Die Herbstfeuer
Es riechen alle Feuer nach dem einen Brand,
der einstmals ganze Städte aufgefressen:
das flammte, loderte, verglomm und schwand:
zu allerletzt gelöscht mit unserem Vergessen.
Kein Menetekel mehr an irgendeiner Wand,
nur noch die kochbereite Hitze unterm Essen.
Ein Rauch und Schwaden von den Gärten her:
was grau und weiß aus Blätterhaufen quillt,
bringt mit dem Brandgeruch das alte Bild:
Es brennt die Welt sich langsam selber leer.
Günter Kunert
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Schon hat der Herbst uns wieder und er gibt sich alle Mühe, uns seine unterkühlte Anwesenheit spüren zu lassen.
In einer Sonnenblume wohnen
In einer Sonnenblume wohnen
honigbraun
und verbündet
mit den herbstlich Zeitlosen.
Sich sammeln sonnig
denn der Winter kommt
jener eiskalte Kahlkopf.
Rainer Brambach
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Oktobernacht
Sessel, bring mir einen Gast.
Tisch, bring mir ein fröhliches Mahl,
Lampe, zeig mir ein freundliches Gesicht,
nicht mich im Spiegel. Spiegel, dreh dich zur Wand.
Sessel, bring mir einen Gast.
Tisch, bring mir ein fröhliches Mahl.
Fenster, geh auf in ein wärmeres Land.
Koffer, nimm mich bei der Hand und flieg mich nach Ägypten.
Sessel, bring mir einen Gast.
Tisch, bring mir ein fröhliches Mahl.
Telefonvogel, sing für mich.
Oder bring mir einen kellertiefen Winterschlaf. Bett.
Ernst Jandl
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Das gelbe Laub erzittert
Das gelbe Laub erzittert,
Es fallen die Blätter herab;
Ach, alles was hold und lieblich,
Verwelkt und sinkt ins Grab.
Die Gipfel des Waldes umflimmert
Ein schmerzlicher Sonnenschein;
Das mögen die letzten Küsse
des scheidenden Sommers sein.
Mir ist, als müsst ich weinen
Aus tiefstem Herzensgrund;
Dies Bild erinnert mich wieder
An unsere Abschiedsstund'.
Ich mußte dich verlassen,
Und wußte, du stürbest bald;
Ich war der scheidende Sommer,
Du warst der sterbende Wald.
Heinrich Heine
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November
Bin heut im erstarrten Garten gewesen,
Wo ich in deinem Auge einst Lieder gelesen;
Wo die Biene den Tropfen Seligkeit sog,
Und wie ein Stückchen Himmel der Schmetterling flog.
Wo der Mond aufstieg wie der Liebe Lob,
Wie ein Herz, das sich von der Erde hob,
Und wo jetzt die Wurzeln der Blumen verwesen,
Hab ich in toten Blättern noch Lieder gelesen.
Max Dauthendey
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November, Sommer
Hubertus A. Janssen
Der Himmel wirft nicht Wind,
nicht Schnee
auf dieser Erde Staub, so trocken.
Die Sonne hitzt das Eis im Tee;
Samstagsspaziergang ohne Socken.
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Der südliche Herbst I
Für Anny
Es ist so sanft, durch diesen Herbst zu eilen
Und dieses Blau des Himmels zu betrachten,
Bei spielerischen Kindern zu verweilen
Und auf den guten Gang des Greises achten.
Ein Adler glitzert auf der Zitadelle.
Ein Leoparde raschelt Bellinzona.
Auf seinem gelben und gefleckten Felle
Reitet die schönste Frau der Welt: Ilona.
Sie lächelt. Und ich hebe meine Hände.
Sie winkt. Ich sinke seufzend vor ihr nieder.
Es scheint das ausgebreitete Gelände
Um ihre Brust gespannt als goldnes Mieder.
O lass die Landschaft von der Hüfte fallen!
Entferne doch den Himmel aus den Blicken!
Und sei ein Mensch! Die Abendglocken schallen.
Du darfst beglückt sein, Mensch, und darfst beglücken.
Klabund
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Herbstlied
Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
Friedrich Rückert
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Zitat von scrabblix im Beitrag #249
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Wie sanft er daherkam, zeigte uns sein strahlenstes Lächeln. Und wir, wir haben ihm kein Wort gegönnt. Kein Wunder, dass er jetzt unaufhörlich weint und seine Tränen über uns ausschüttet. Um sein Gemüt zu beruhigen, gönne ich ihm jetzt ein paar Zeilen von Rainer Brambach:
Bildnis eines jungen Mannes
Einige Gedichtbände auf dem Regal in der Kammer,
die kleine Fröhlichkeit beim Pfeifen einer
Melodie während der Arbeit am Sandstein und
an regnerischen Sonntagen ein Gang durch
die öffentliche Kunstsammlung.
Im Nebensaal — wenig beachtet — das Bildnis
eines jungen Mannes um 1470, oberdeutsche Schule,
ein wenig bäurisch, vielleicht Troßknecht oder Steinmetz.
Damals wurde ich gemalt. Verging denn viel Zeit seither?
Ach dieser Spätherbst ist so frostig wie einst,
das Geräusch des Regens
blieb unverändert,
durch den Mittag eben noch sommerlicher Steinbrüche
fällt falbes Laub.
Rainer Brambach
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In dieses Herbstes Stunden
Noch immer stehen Blumen da
Des Sommers letztes Gloria
Zu schönem Strauß gebunden
Und dennoch brechen fern und nah
Die Vögel auf nach Afrika
In dieses Herbstes Stunden
Wenn ich die Züge kommen seh
Ein Stück mit ihnen wandern geh
Sie droben und ich drunten,
geschieht's, daß ich erfüllt von Weh,
Den letzten Flügel rudern seh,
Bis er dem Blick entschwunden.
Der Abend naht und um mich her
Ist das Gefäß der Lieder leer,
Der Wald, in Herbstes Stunden.
Und nur das Wörtlein „Wiederkehr“
Steht als ein Stern und leuchtet sehr,
Bis ich mich dreingefunden.
Fritz Diettrich
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Herbst
Herbst erfüllt die Atmosphäre,
lichtes Blau des Himmels Raum.
Wenn der Wind so stark nicht wäre,
hingen Blätter noch am Baum.
Auf den ausgedienten Beeten
liegt des Baumes schönstes Kleid,
blind und achtlos plattgetreten
von den Menschen ohne Zeit.
Drohend dröhnt die Atmosphäre:
Düsenjets, die donnernd störn.
Wenn die Welt doch stiller wäre,
um des Herbstes Lied zu hörn!
Sonja Weise
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Wenn Herbstzeit ist
Der Sommer singt sein letztes Lied
Vogel Sommerlicht flieg noch einmal
aus der Nacht in den Tag
schon leuchtet das Herbstfeuer weit
die Mäuse tanzen Herbstzeit
doch wenn der Himmel aus den Wolken fällt
schon der Winter aus dem Nebel steigt
dann ist Abschiedszeit.
Luise Spiering
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So regnet es sich langsam ein ...
So regnet es sich langsam ein
Und immer kürzer wird der Tag und immer
Seltener der Sonnenschein ...
Ich sah am Waldrand gestern ein paar
Rosen stehn ...
Gib mir die Hand und komm ... wir wollen
Sie uns pflücken gehn ...
Es werden wohl die letzten sein!
Cäsar Flaischlen
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