Herbstlied
Den Herbst durchzieht
Das Sehnsuchtslied
Der Geigen
Und zwingt mein Herz
In bangem Schmerz
Zu schweigen.
Bleich und voll Leid,
Dass die letzte Zeit
Erscheine,
Gedenk' ich zurück
An fernes Glück,
Und ich weine.
Und so muss ich gehn
Im Herbsteswehn
Und Wetter,
Bald hier, bald dort,
Verweht und verdorrt
Wie die Blätter.
Paul Verlaine
Reset the World!
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Wunderschöne Gedichte habt ihr da ausgewählt!
Hier noch ein großartiges Herbstlied, von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
(1798 - 1874)
Bald fällt von diesen Zweigen
Das letzte Laub herab.
Die Büsch' und Wälder schweigen,
Die Welt ist wie ein Grab.
Wo sind sie denn geblieben?
Ach! sie sangen einst so schön -
Der Reif hat sie vertrieben,
Weg über Berg und Höh'n.
Und bange wird's und bänger
Und öd' in Feld und Hag;
Die Nächte werden länger,
Und kürzer wird der Tag.
Die Vögel sind verschwunden,
Suchen Frühling anderswo;
Nur wo sie den gefunden,
Da sind sie wieder froh.
Und wenn von diesen Zweigen
Das letzte Laub nun fällt,
Wenn Büsch' und Wälder schweigen,
Als trauerte die Welt -
Dein Frühling kann nicht schwinden,
Immer gleich bleibt dein Geschick,
Du kannst den Frühling finden
Noch jeden Augenblick.
"Leg dein ganzes Sein in dein geringstes Tun" (Pessoa)
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Im Herbst
Die Sonnenblumen leuchten am Zaun,
Still sitzen Kranke im Sonnenschein.
Im Acker mühn sich singend die Frau’n,
Die Klosterglocken läuten darein.
Die Vögel sagen dir ferne Mär’,
Die Klosterglocken läuten darein.
Vom Hof tönt sanft die Geige her.
Heut keltern sie den braunen Wein.
Da zeigt der Mensch sich froh und lind.
Heut keltern sie den braunen Wein.
Weit offen die Totenkammern sind
Und schön bemalt vom Sonnenschein.
Georg Trakl
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Grüne Hünen
Veraltet scheint die Pracht der Blüten
verhallt des Sommers Klang
ob der stürmischen Winde Wüten
wurd ihm wohl angst und bang
manch Borke wärmt ein Fell aus Moos
ziert Narben auf den Hünen
lässt - steht das Astwerk kahl und bloß -
sie auch im Winter grünen.
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Der Herbst des Einsamen
Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.
Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde.
Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde.
Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.
Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden
Und Engel treten leise aus den blauen
Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.
Georg Trakl
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Himmel, grau und wochentäglich!
Himmel, grau und wochentäglich!
Auch die Stadt ist noch dieselbe!
Und noch immer blöd und kläglich
Spiegelt sie sich in der Elbe.
Lange Nasen, noch langweilig
Werden sie wie sonst geschneuzet,
Und das duckt sich noch scheinheilig,
Oder bläht sich, stolz gespreizet.
Schöner Süden! wie verehr ich
Deinen Himmel, deine Götter,
Seit ich diesen Menschenkehricht
Wiederseh, und dieses Wetter!
Heinrich Heine
Schenke der Welt mein Lächeln,
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Oktober
Lass einen Drachen steigen
nenne ihn Oktober
eine Handvoll Nüsse in Wollbach
in Mauchen ziemlich Fasswein
die Zeile Wer jetzt kein Haus hat
die Zeile Wer jetzt allein ist
die Dahlien die Astern
vorwiegend Blaues
das der Nachmittag einbringt.
Rainer Brambach
Schenke der Welt mein Lächeln,
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Herbstgedanken
Wie sich die Bilder gleichen,
ein jedes Jahr aufs Neu.
Grüne den Gelben weichen.
Du fragst, ob ich mich freu?
Verwegen diese Frage.
Der Herbst zog bei mir ein.
Ich mag die Sommertage.
Wird es bald Winter sein?
Die Tage rauschen vorbei,
befinden sich im Flug.
Blühte ich nicht grad im Mai?
Ich wittere Betrug!
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Deine eigenen Herbstgedichte gefallen mir sehr, Lotte.
Danke, dass du diese Jahresfäden am Leben erhältst.
Sirius
Reset the World!
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Da nich für, Sirius!
Goldener Oktober
Blumen blühn als gäbs kein Morgen
weigern sich zu knittern
wettertrotzend ihre Stängel
in den Nächten zittern
Spinnen lauern in den Netzen
wer geht auf den Leim
ein paar klitzekleine Fliegen
fallen ihm anheim
Trauben fangen auf den Hügeln
Sonnenwärme ein
eh die Wahrheit ihn besiegt
liegt Unschuld in dem Wein.
scrabblix
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Oktoberlied
Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!
Und geht es draußen noch so toll,
Unchristlich oder christlich,
Ist doch die Welt, die schöne Welt,
So gänzlich unverwüstlich!
Und wimmert auch einmal das Herz -
Stoß an und laß es klingen!
Wir wissen's doch, ein rechtes Herz
Ist gar nicht umzubringen.
Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!
Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
Doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
Es steht die Welt in Veilchen.
Die blauen Tage brechen an,
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen!
Theodor Storm
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Herbstzeitlos
Ein allerletzter Apfel hängt am Baum
kaum ein Blatt verdeckt noch das Geäst
die Ankunft frühen Dunkels steht im Raum
nicht ein Laut schallt aus dem leeren Nest
lass uns diesen einen Apfel pflücken
lass uns kosten wie die Freiheit schmeckt
lass uns suchen nach den blauen Lücken
eh des Winters Bote uns entdeckt.
scrabblix
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Herbsthauch
Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!
Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.
Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
Friedrich Rückert
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Schöner Herbst
Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Die Luft ist klar und kalt und windig,
weiß Gott: ein Vormittag, so find ich,
wie man ihn oft erleben mag.
Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Jetzt schlägt das Meer mit voller Welle
gewiß an eben diese Stelle,
wo dunnemals der Kurgast lag.
Ich hocke in der großen Stadt:
und siehe, durchs Mansardenfenster
bedräuen mich die Luftgespenster ...
Und ich bin müde, satt und matt.
Dumpf stöhnend lieg ich auf dem Bett.
Am Strand war es im Herbst viel schöner ...
Ein Stimmungsbild, zwei Fölljetöner
und eine alte Operett!
Wenn ich nun aber nicht mehr mag!
Schon kratzt die Feder auf dem Bogen –
das Geld hat manches schon verbogen ...
Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Kurt Tucholsky
Schenke der Welt mein Lächeln,
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Heute früh war alles in Reif getaucht. Die wenigen Blätter, die noch an Ästen hingen, glitzerten eingehüllt in den kalten, silbernen Wasserkristallen. Erst gegen Mittag lichtete sich der Nebel und eine gleichgültige Sonne blickte entfernt und unerreichbar auf das Treiben der Erdgeschöpfe. Nur wenige Stunden zeigte sie ihr Gesicht, dann bedeckten dicke Nebelschwaden, die aus dem Nichts wieder auftauchten, ihr Licht, und sie verschwand und zeigte sich nicht mehr am heutigen Tag. Schon früh war es dunkel und kalt und feucht, und die wenigen Menschen, die noch zu Fuß unterwegs waren, beeilten sich ins wärmende Zuhause.
Eine Kerze versucht ein Ebenbild des Lichtes zu sein, das uns zu dieser Zeit fehlt, und die Stunden ziehen nur mühsam an einem vorbei. Wäre keine Musik, die die Luft füllt und das Herz zu schnellerem Schlagen bewegt, wäre die Zeit noch schwerer und bedrückender. Und die Dunkelheit noch verschlingender. Tschaikowsky lässt die Tasten tanzen, sein Klavierkonzert unterbricht die Unbeweglichkeit und lässt die Zeit fließen.
Es wäre die ideale Zeit zum Zusammensein. Kein Wort, kein Lachen... Nur unruhige Hände, sich vorsichtig bewegend und begierig suchend nach der nackten Haut... Lippen darüber streichelnd, feuchtheiße Begegnung hungriger Wesen...
Zeit der Begegnung...
Anneliese Rosie
Reset the World!
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