Stiller Gang
Der Abend graut; Herbstfeuer brennen.
Über den Stoppel geht der Rauch entzwei.
Kaum ist mein Weg noch zu erkennen.
Bald kommt die Nacht; ich muß mich trennen.
Ein Käfer surrt an meinem Ohr vorbei.
Vorbei.
Richard Dehmel
Reset the World!
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Verklärter Herbst
Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.
Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.
Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht –
Das geht in Ruh und Schweigen unter.
Georg Trakl
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Herbstwind
Er ist gekommen sie fortzuwehen
entfernt die letzten fünf Blätter
die an der Eiche noch zu sehen
als wäre es ohne sie netter
er trägt das letzte Sandkorn fort
der flüchtigen Burg am Strand
der Phantasien Zufluchtsort
gebaut von Kinderhand.
scrabblix
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Komm, lass uns spielen
Wie bald des Sommers holdes Fest verging!
Rau weht der Herbst; wird's denn auch Frühling wieder?
Da fällt ein bleicher Sonnenstrahl hernieder -
Komm, lass uns spielen, weißer Schmetterling!
Ach, keine Nelke, keine Rose mehr;
Am Himmel fährt ein kalt Gewölk daher!
Weh, wie so bald des Sommers Lust verging -
O komm! Wo bist du, weißer Schmetterling?
Theodor Storm
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Lotte, dein "Herbstwind" ist nicht untergegangen. Es reiht sich nahtlos ein in die Werke der "Großen".
Frühherbst
Die Stirn bekränzt mit roten Berberitzen
steht nun der Herbst am Stoppelfeld,
in klarer Luft die weißen Fäden blitzen,
in Gold und Purpur glüht die Welt.
Ich seh hinaus und hör den Herbstwind sausen,
vor meinem Fenster nickt der wilde Wein,
von fernen Ostseewellen kommt ein Brausen
und singt die letzten Rosen ein.
Ein reifer roter Apfel fällt zur Erde,
ein später Falter sich darüber wiegt —
ich fühle, wie ich still und ruhig werde,
und dieses Jahres Gram verfliegt.
Agnes Miegel
(1879 - 1964)
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Ein Lied aus Kindertagen:
Bunt sind schon die Wälder
Bunt sind schon die Wälder,
gelb die Stoppelfelder,
und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
graue Nebel wallen,
kühler weht der Wind.
Wie die volle Traube
aus dem Rebenlaube
purpurfarbig strahlt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche, mit Streifen
rot und weiß bemalt.
Flinke Träger springen,
und die Mädchen singen,
alles jubelt froh!
Bunte Bänder schweben
zwischen hohen Reben
auf dem Hut von Stroh.
Geige tönt und Flöte
bei der Abendröte
und im Mondesglanz;
junge Winzerinnen
winken und beginnen
frohen Erntetanz.
Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis
https://www.youtube.com/watch?v=vNggWYCsPKo
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Liebe Lotte,
was für schöne Gedichte du hier einstellst und das Lied, mag ich ganz besonders.
Lieben Dank sagt
Leo
Schreiben macht schön.
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Graues Land
Wolken in dämmernder Röte
droh'n über dem einsamen Feld.
Wie ein Mann mit trauriger Flöte
geht der Herbst durch die Welt.
Du kannst seine Nähe nicht fassen,
nicht lauschen der Melodie.
Und doch: in dem fahlen Verblassen
der Felder fühlst du sie.
Stefan Zweig
(1881 - 1942)
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Lenau, Nikolaus (1802-1850)
Herbst
Rings ein Verstummen, ein Entfärben:
Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,
Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
Ich liebe dieses milde Sterben.
Von hinnen geht die stille Reise,
Die Zeit der Liebe ist verklungen,
Die Vögel haben ausgesungen,
Und dürre Blätter sinken leise.
Die Vögel zogen nach dem Süden,
Aus dem Verfall des Laubes tauchen
Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,
Die Blätter fallen stets, die müden.
In dieses Waldes leisem Rauschen
Ist mir als hör' ich Kunde wehen,
daß alles Sterben und Vergehen
Nur heimlich still vergnügtes Tauschen.
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Jetzt ist es Herbst
Jetzt ist es Herbst,
Die Welt ward weit,
Die Berge öffnen ihre Arme
Und reichen dir Unendlichkeit.
Kein Wunsch, kein Wuchs ist mehr im Laub,
Die Bäume sehen in den Staub,
Sie lauschen auf den Schritt der Zeit.
Jetzt ist es Herbst,
das Herz ward weit.
Das Herz, das viel gewandert ist,
Das sich verjüngt mit Lust und List,
Das Herz muss gleich den Bäumen lauschen
Und Blicke mit dem Staube tauschen.
Es hat geküsst, ahnt seine Frist,
Das Laub fällt hin, das Herz vergisst.
Max Dauthendey
(1867 - 1918)
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Marianne
Und die Tage fall'n in Pfützen
In den Pfützen springt ein Kind
Mama hat noch was zu simsen
Über Wetter Blätter Wind
Und das Kind geht in die Knie
Wie der Akku von Mama
Scheiße, Scheiße! Marianne!
Eben lag sie doch noch da
Und im Regen was zu suchen
Ohne Netz und ohne Schirm
Scheiße, Scheiße! Marianne!
Kind, benutz' doch dein Gehirn!
Und es regnet, regnet, regnet
Auf Marianne. Auf Mama
Wolken stehen beieinander
Regenwolken. Wunderbar
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Und die Verse malen Bilder
Marianne und Mama
Köstlich, Köstlich! Hilfemüller!
Worteregen. Wunderbar!
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Ja, stimmt. Die Marianne mit Mama sind wunderbar. Scheiße, Scheiße aber auch.
Sirius
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Schwarzer Stein auf weißem Stein
Ich werde sterben in Paris, mit Wolkenbrüchen,
schon heut erinnre ich mich jenes Tages.
Ich werde sterben in Paris, warum auch nicht,
an einem Donnerstag vielleicht, wie heut, im Herbst.
Ein Donnerstag wird sein; denn heut, am Donnerstag,
da ich dies sage, tun mir meine Knochen weh;
noch nie wie heute hab ich mich allein
und meinen Weg erblickt von unserm Ende her.
Tot ist César Vallejo. Eingeschlagen
habt ihr auf ihn. Er hat euch nichts getan.
Mit einem Stock gabt ihr ihm Saures, Saures
mit einem Tau. Die Donnerstage
sind seine Zeugen, Zeugen seine Knochen,
der Regen, die Verlassenheit, die Strassen ...
César Vallejo
(übersetzt von H.M. Enzensberger)
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November
Einen Tag später,
zwei Welten weiter,
himmellos
das Leben,
wortlos die Sprache,
verschluckt mich
der Nebel.
Gespenster basteln mir
Träume
aus Angstschweiß,
Gedanken in Ketten.
Noch bevor es zu
Ende ist,
schüttet der
November das Jahr aus.
Sirius
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