Zynischer Kommentar
Jeden Abend dasselbe: In den Nachrichtensendern zuerst Merkel, Schulz, Seehofer und alle anderen Populisten. Man weiß, jetzt sitzt der deutsche Durchschnitts-Zuschauer vor der Glotze und muss seinen politischen Input bekommen. Für andere Nachrichten wäre er ohnehin überfordert.
Nicht zuletzt deswegen sind wir auch, vom Kleinkind bis zum Manager, intellektuelle Schlusslichter in Europa. Wir streiken, wenn überhaupt, gegen Benzinpreise oder Kindergartenplätze, aber Mord und Totschlag beeindrucken uns nicht, es sei denn, es geht uns selbst an den Kragen, dann holen wir auch im Jammern den Weltmeister-Pokal.
Wir ignorieren und tolerieren Klimawandel, die Nazis, die Angriffe auf Flüchtlinge, auch Morde an Obdachlose, die uns eh peinlicher sind als korrupte Politiker, stinkreiche Steuerhinterzieher, kriminelle Banken und Firmen, Waffenhandel und Hass und Hetze auf andere Menschen, die nicht mit Cellulites und Bierbauch geboren werden.
Wir sind furchtbar geil auf Überwachungskameras, würden gerne unseren Neugeborenen einen Überwachungs-Chip verpassen, wir haben nichts zu verbergen, bis auf unsere verschleierten Einkünfte natürlich, da sind wir sensibel, aber sonst kann uns auf Facebook ein jeder gerne in die oft braune Unterhose schauen.
Es macht uns nichts aus, unseren giftigen Müll, unseren Elektroschrott, unsere alten Autos nach Afrka zu verticken,samt unseren Medikamenten-Hälse der versifften Hähnchen, um im Gegenzug die dortigen Fischern zu vertreiben, um unseren lieben Kindern die verdienten Fischstäbchen zu servieren. Auch Klamotten und Spielzeug, das von Kindern hergestellt wird, kaufen wir gerne bei Kik oder auch den beliebten Markenfirmen, um in der Schule damit zu prahlen.
All das machen wir gerne, weil wir die Zauberworte Sicherheit, Wachstum und Arbeitsplätze anbeten, nicht den Menschen. Wir lernen und lesen wenig und schreiben daher viel Lol, wir brauchen das nicht, wir sind eine besondere Rasse, wir haben Geld, weil wir vom Bescheißen und Betrügen gut leben können, auch wenn wir das nicht hören wollen. Moral kann man uns jedenfalls nicht vorwerfen, wir haben einen „Alternativen Charakter“, aber das haben andere auch, geben bloß nicht noch damit an.
Das Problem ist nur, wir glauben tatsächlich, dass wir gute Menschen sind, weil wir zu Weihnachten unser schlechtes Gewissen wegspenden oder unsere alten Pullover vom DRK verscheuern lassen, weil wir abgelaufene Lebensmittel den Asozialen ganz billig verkaufen, oder sogar verschenken (!), weil wir so furchtbar christlich an Gott glauben, den es schütteln würde, gäbe es ihn und weil wir gute und schlechte Götter aussortieren können, aber gute und schlechte Menschen nach ihrem Einkommen und ihrer Macht beurteilen, nicht nach ihrem Wirken.
Wir sind nicht gut, ebensowenig wie die Menschen anderer Länder, sonst gäbe es nicht diese Welt, so wie sie ist., sonst würden wir Despoten und Diktatoren und sonstiges Gesindel, das wir andauernd wählen – und zwar aus reinem Egoismus und Gier – gar nicht zulassen, denn wir sind, so simpel und naiv das klingt, schlicht in der Überzahl, um wirklich alles Schlechte zu verhindern. Aber das wollen wir gar nicht, wir wollen verdienen.
Und wir werden diese Welt noch schlechter machen, mit der Ausbeutung des Planeten, mit unserer Geldgier, mit unserem Überwachungswahn. Wir wissen das und tun es trotzdem, weil Verantwortung ebensowenig unser Ding ist wie die Wahrheit.
Wir könnten uns arrangieren, wir könnten teilen, wir könnten was abgeben, wir könnten uns gegen Gewalt, Faschismus und Kriege stellen, aber wir wollen es gar nicht.
Wir wollen einfach so weitermachen und natürlich keine Schuld an allem tragen.
Sirius
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Lieber Sirius,
ich finde diese Überlegungen überhaupt nicht zynisch, sie sagen ja nur, was wirklich ist. Wir leben mit Doppelstandards, dass es eine Freude hat. Da erregt sich die ganze "freie Welt" gegen Trump, weil er Einreiseverbote verhängt hat. Und hat nicht die EU ebenfalls Einreiseverbote verhängt - falls ich an den 10-Punkte-Plan von Valetta erinnern darf. Ein Doppelstandard, der nun wirklich jedem einsichtig sein müsste.
Das Problem an der Sache ist nur, dass momentan keiner weiß, wie da rauskommen. Und niemand ist da, der bereit wäre, seine soziale Existenz aufs Spiel zu setzen, indem er gegen die gegenwärtige Politik öffentlich protestiert. Das ist die preußische Untertanenmentalität, und die hat soziale Ursachen. Dass sie das hat, habe ich übrigens noch nie irgendwo gelesen, immer wurde nur aufs Moralische abgehoben. Aber es ist schon so, wie Brecht meinte: Es geht immer nur um Marie.
(Marie: Slang, damit ist das Portmonee gemeint).
Lieben Gruß, Angelika
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Ich denke, zynisch ist die Politik. Mit welcher Unbefangenheit da über Menschen gesprochen wird, die man in ihrem Heimatland schon gewaltsam davon abhält, überhaupt erst zu flüchen, und uns dann erzählt, man wolle Schlepper bekämpfen.
Die schlimsten Gefährder sind in unserer Regierung und in der angepassten Presse.
Aber es geht nicht nur um Flüchtlinge. Unser Sozialverhalten untereinander funktioniert nicht. Wir brauchen für jeden Mist Hierarchien, wir denken nicht mehr nach, nicht mehr an unsere Kinder. Bei der preußischen Untertanen-Mentalität kann ich dir nur zustimmen. So funktioniert ja auch unser Bildungswesen, das noch aus der Zeit stammt, als man willige, dumme Staatsdiener ausbilden wollte, die nichts hinterfragen.
Und natürlich geht es immer um die dicke Marie.
Dankesehr für dein Lesen und Kommentieren, liebe Angelika.
Sirius
Reset the World!
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