Natur und Mensch
Der Himmel glänzt wie ein Opal,
Das Land liegt klar und hell.
Steh auf, mein Kind, und laufe schnell –
Wohin ist ganz egal.
Wenn du kein Freund der Felder bist,
Dann laufe in den Wald;
Geh da, geh dort, nur gehe bald,
Wer weiß, wies morgen ist.
Verlasse noch vor Tisch das Haus,
Wie schnell kommt doch der Tod;
Die Pilze heut zum Abendbrot
Sahn reichlich komisch aus.
Werner Finck
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Alfred Lichtenstein (1889-1914)
Erotisches Variété
Auf offner Straße in der Nacht
Entkleidet sich ein Kneipenwirt.
Ein Ingenieur ist aufgebracht,
Der sich bei seinem Weib verirrt.
Nach gleichgesinnten Viechern schielt
Ein homosexueller Hund.
Ein Greis, der mit sich selber spielt,
Merkt: Allzuviel ist ungesund.
In schmutzig grüner Tunke hockt
Ein blauer Syphilitiker.
Ein Boxer bebt. Ein Baby bockt.
Verstiert fault ein Zylinderherr.
Ein Auto bringt ein Fräulein um.
Ein Junge bricht ein Mädchen an.
Verbittert ist ein Mensch. Warum?
Weil er nicht coitieren kann.
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Heinrich Hoffmann (1809-1894)
Eine seltsame Kaffeegesellschaft
Die Witwe Frau von Gänseschwein,
Die lud sich die Gesellschaft ein,
Die neulich auf dem Forsthaus war
Bei einem Kaffee wunderbar.
Es sitzen da an einem Tisch:
Herr Fischent und Frau Entenfisch,
Herr Hahnenhund, Frau Schnauzerhuhn,
Die wollen sich recht gütlich tun,
Dazu kommt noch Frau Schlangenspatz,
Mit ihrem Freund Herrn Ratzenkatz.
Sie trinken viele Tassen leer,
Es schmeckt der gute Kuchen sehr.
Dann lecken sie die Teller rein
Und putzen sich die Mäuler fein,
Sie grüßen sich und sagen:
Auf Wiedersehen in acht Tagen!
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Sommerstille
In allen Parlamenten ist Ruh,
in allen Zeitungen spürest du
kaum einen Hauch.
Nur der Bismarck schimpft noch, der alte.
Warte nur, balde
schweiget der auch.
Unbekannter Verfasser (1897)
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Gesang anläßlich der Einführung der DSZ
(Doppelte Sommerzeit)
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
dass die Sonne nicht untergeht.
Die Uhren, die Welt und die Zeiten
sind alle verhext und verdreht.
Die Lichter der Sterne verblassen
im Glanze der sonnigen Nacht.
Und das hat mit seinen Erlassen
der allierte Kontrollrat gemacht.
1949
Hansgeorg Stengel
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Abends wenn ich schlafen geh
vierzehn Engel um mich stehn
zwei zu meiner Rechten
zwei zu meiner Linken
zwei zu meinen Häupten
zwei zu meinen Füßen
zwei, die mich decken
zwei, die mich wecken
zwei, die mich führen
ins himmlische Paradies
Adelheid Wette (1858 -1916)
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Wer fragt nach mir, wenn ich gestorben bin?
Der trübe Tag nahm meine Jugend hin.
Der Abend kam zu früh. Der Regen rann.
Das Glück glitt an mir vorbei – mit fremden Mann.
Mein armes Herz ist seiner Leiden satt.
Bald kommt die Nacht, die keine Sterne hat.
Erich Mühsam aus „Wolken“, 1909 – 13
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Der Misshandelte
Gertrud Kolmar
In meiner Zelle brennt die ganze Nacht das Licht.
Ich stehe an der Wand und schlafen darf ich nicht;
Denn alle zehn Minuten kommt ein Wärter, mich zu schaun.
Ich wache an der Wand. Sein Hemd ist braun.
Die andern kehren wieder, unterhalten sich
Mit meinem Schrein und Stöhnen, lachen über mich,
Sie recken mir die Arme gewaltsam, nennen's Sport.
Ich breche in die Knie ... und endlich gehn sie fort.
Ich sah nicht Bäume, Sonne - ob es die wirklich gibt ?
Ob wo ein armes Kind noch seinen Vater liebt ?
Kein Zeichen mehr, kein Brief - und ich habe doch eine Frau!
Sie sagten: »Du bist rot; wir schlagen dich braun und blau.«
Sie peitschten mit stählernen Ruten und mein Rumpf war bloß . .
O Gott! O Gott! Nein, nein! Ich bin ja glaubenslos,
Ich habe nicht gebetet im Felde, im Lazarett,
Nur abends als kleiner Junge, und die Mutter saß am Bett.
Die Erde ist Kerkergruft, der Himmel ein blaues Loch.
Hörst du, ich leugne dich! Mein Gott... ach, hilf mir doch!
Du bist nicht: wenn du wärst, erbarmtest du dich mein.
Jesus litt für euch alle; ich leide für mich allein.
Ich steh' und sinke ein bei Wasser und wenig Brot
Stunden und aber Stunden. Wie gut, wie gut ist der Tod!
Hingelegt... und verschlossen in tiefem, dunklem Schacht
Keine grelle Lampe. Nur Schlaf. Nur Stille. Nacht . . .
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Paul Boldt
In der Welt
Ich lasse mein Gesicht auf Sterne fallen,
Die wie getroffen auseinander hinken.
Die Wälder wandern mondwärts, schwarze Quallen,
Ins Blaumeer, daraus meine Blicke winken.
Mein Ich ist fort. Es macht die Sternenreise.
Das ist nicht Ich, wovon die Kleider scheinen.
Die Tage sterben weg, die weißen Greise.
Ichlose Nerven sind voll Furcht und weinen.
1913
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