Ihr habt doch bestimmt schon mal von Tornadojägern gehört. Das sind völlig Verrückte, welche sich so nah wie möglich an eine Großtrombe oder Windhose heranpirschen um spektakuläre Fotos zu schießen. Das geht nicht immer gut aus. Manchmal für diese 'Stormchaser', aber manchmal, sehr selten, auch für die Tornados.

Ein Staubteufel, gerade mal im Entstehen und erst 40 cm hoch, wird auf der Flucht vor diesen Jägern als vielversprechender Nachwuchstwister von einem Hurrikan adoptiert, gefüttert und dann aufs Meer hinaus geblasen, wo ihm keine Stormfreaks in Geländefahrzeugen auflauern können. Dort, gerade mal in den Flegeljahren aber schon annähernd beeindruckend, verwandelt er sich notgedrungen in eine Wasserhose. Wehmütig denkt er an seine Heimat, den mittleren Westen mit seinen Getreide- und Maisfeldern, und Heimweh lässt seine Augen tränen, als ob sie mit Chili eingerieben worden wären. Die Corioliskraft erledigt gleichmütig ihren Job und der Tornado treibt immer weiter nach Osten ab. Da kann er sich drehen und wenden wie ihm lustig ist, aber noch nicht einmal lustig findet er es. Nein. Lustig ist wohl etwas anders, etwas das ein grausames Schicksal ihm anscheinend nicht zugedacht hat.

Allmählich sammelt sich eine gehörige Portion meteorologischer Zorn in ihm an. Er beschleunigt auf 500. Verächtlich lässt er England mit seinem Pseudoklima links liegen und stürmt an den nordfriesischen Inseln vorbei. Unterwegs jagt er noch einigen Heringsfängern und zwei Kreuzfahrerschiffen höllische Ängste ein, aber das befriedigt ihn nicht sehr. Er hat es eilig! Er will sich beschweren!

Es gibt in Deutschland Unwetter, klar, wo gibt es keine, aber meistens sind es bloß harmlose Gewitter, die als Wetterleuchten am Horizont schlapp abhängen, mich erstaunlich unbemerkenswert angrummeln und offenbar auf eine persönliche Einladung warten, ganz Antithese ihres nun erscheinenden ausländischen Verwandten, der ein ausgeprägtes Temperament sein Eigen nennt und mehr mit Kugelblitzen beeindruckt. Nebst metafrequenzartigen Donnerschlägen, die man noch durch Plateauschuhe in den Fußsohlen verspürt. Und heulenden Winden ...

Hinter Hannover soll nämlich der Schuldige leben.

Sie lesen nun den Wetterbericht: Ganz Deutschland sonnig und heiter, bis auf Dorf-Dorf, Im Anger 47 – da tobt ein Tornado, Zyklon, Taifun, Medicane, wir wissen es nicht genau.

Immer ich!

Sehr umfangreich dein lokaler Wetterbericht, Karl-Ludwig.
Gut, dass ich nichts damit zu tun hab, was bei euch los ist. Aber du hast ja alles im Griff.

Was hast du nur wieder angestellt, Karlchen, dass deine ähhh... Bekannte sich nicht mit dem Loslassen eines Gewitters begnügt?

Klar habe ich alles fest im outgesourcten Griff.

Deswegen hatte auch fest damit gerechnet: Meine … äh …, Ihr wisst schon, die Pestobestie, kam sofort angelaufen, als sie die Nachrichten hörte. „Hier die Schneeglöckchen belästigen?!“, brüllte sie und gab dem frechen Zyklon Saures, aber mit Schmackes und Besenstiel.

Sie faltete den verwirrten Wirbelwind gekonnt zusammen, nun ja, sie hatte auch ausreichend an mir geübt, und ich muss zugeben, nicht unzufrieden zugesehen zu haben, wie sie das nun recht kleinlaute Lüftchen in einen Umschlag steckte und diesen an den Perversitänten der USA adressierte.

Damit nicht genug. Petrus bekam auch was ab: Er müsse seine Logistik logischer handhaben. Mit verdrehten Augen und kein bisschen gebetet.

Mir drückte die Dame eine Schachtel Schaschlikspieße in die Hand, die niedergedrückten Schneeglöckchen zu schienen und wieder aufzurichten.

Und ich soll nicht mehr so einen Mist anstellen. A bisserl besser aufpassen, was ich schreiben würde.

Jawollja!

Ich sehe schon, bei euch herrscht Disziplin.