Hier werde ich hin und wieder Gedichte über Heimat einstellen!

Eingeengt von Häuserschwarten
zieht die Straße durch das Dorf.
Trauervolles Tagerwarten
säumt früh morgens schwarzen Torf.

Durch die spitze fliehnde Enge,
plätschert leis die Morgenstunde.
Mit der ersten Sonnenstrenge,
raucht der Reif die blaue Kunde.

Aus den Fenstern kläffen Klänge,
triebig sabbert Nachbarshund
und der Bauer ulmerts Kraut
seiner braunen Tabakstund.

In der Weite türmt der kühle
Brutalist den ich so mag.
In mir tönt skandierte Schwüle
die mir einst in Versen lag.

Wahnsinnig intensiv ist das. Gerüche, Temperatur, Stimmung -alles da.

„raucht der Reif die blaue Kunde.“

-hier habe ich Probleme mit dem Verständnis.


„und der Bauer ulmerts Kraut
seiner braunen Tabakstund.“

-ist "ulmerts" Dialekt oder ein Nachname?
Dann müsste er großgeschrieben werden, oder?


.soweit.
LG

Hallo Richard

"die blaue Kunde" - wenn der Tag Einzug hält und das erste Ozon sichtbar wird. Die Himmel wird blau wegen des Ozons.
Das Blaue am Morgen, die blaue Kunde. Die Botschaft, dass die Nacht bald vergehen wird.
Oft sieht man den blauen Schimmer am Morgen am Horizont durchdringen.
Und der Reif "verdampft" oft im Licht auf Wiesen wenn die Wärme ihn weg leckt , nur fände ich "dampft" unschön, weswegen ich "rauch" verwendet habe.
Vielleicht hast du das schonmal gesehen. Ist wunderschön.


Eine "Ulmer" (Oder auch Ulmer-Kloben) ist eine Pfeife! Weil hoch wahrscheinlich das Herstellungszentrum dieser Pfeifen in Ulm war/ist. Man spricht auch von "Ulmer Maserholz Pfeifen".
Und "ulmern" soll ausdrücken, dass er sein Kraut durch die Pfeife dampft.

http://manger-pfeifenshop.de/Ulmer-Maser...-Ulmer-Kloben-2

Dank Dir fürs Lesen und Kommentieren!

vlg

EV

Ein herrliches Gedicht und durch deine schönen Erklärungen jetzt leicht verständlich.
Eine großartige letzte Strophe, ein wunderbares Werk!

Sirius

Ich musste beim Lesen deiner Zeilen sofort an meine Heimat denken, die Oberlausitz.
Schöne, alte Worte, flott gereimt und gut erklärt.

Die blaue Stunde:

https://www.youtube.com/watch?v=K5yGCvhCSls

Sehr gern gelesen, lieber EV.

Leo

Hallo sirius, letreo

Danke fürs Lesen und Kommentieren!

Was ich mich frage: sind diese Zeilen wirklich schwer zu verstehen?
Daran müsste ich gegebenfalls etwas ändern, falls dem so wäre und sich der Sinn nicht aus Andeutungen und Kontext erschließen ließe.

vlg

EV

Hallo Eisenvorhang,
Du hast „ulmerts“, was ja hier eine interessante und passende Wortneuschöpfung darstellt, beleuchtet. Das Problem dabei ist der Bezug zur Pfeifenmanufaktur in Ulm, er ist nämlich im Text nicht vorhanden, deswegen fragte ich ja nach, ob es Dialekt sei oder ein Nachname. Das wäre ein Kritikpunkt. Zugegeben, mit dem rauchenden Reif - in dieser Version - habe ich so meine Probleme. „Rauchender Reif“ ist für mich sozusagen eine doppelte Versteigung in dieses Bild, etwas helfen würde vielleicht „raucht der Reif der blauen Kunde“.


Was mir einfiel: Ulf Stolterfohts „holzrauch über heslach“ könnte Dir extrem gut gefallen:

http://www.engeler.de/heslach.html


Grüße,
Richard

Also ich habe deinen Text gut verstanden, Eisenvorhang, sonst hätte ich auch nicht so spontan kommentiert.
Ich habe gesehen, dass du an anderer Stelle noch eine Strophe angehängt hast. Ich finde sie nicht so passend,
aber nur, weil das Gedicht für mich mit Strophe 4 ein schönes Ende hat.

Es grüßt die Heimatverbundene Leo

https://www.youtube.com/watch?v=9SpTUj24RM4

Nein, alles gut, Eisenvorhang, ich bin auch nur über das "Ulmer Kraut" und die "blaue Kunde" gestolpert, aber zusammenhänglich war alles klar.

Leo: So ohne Vorwarnung haut der "Song" ganz schön rein.

Sirius

Okay, dann weiß ich bescheid! Danke für das Feedback.

@Letreo - die weitere Strophe gehört eigentlich nicht dazu bzw. habe ich diese abgeschnitten. Kanns aber woanders nicht mehr bearbeiten.

vlg

ev

Zitat von Sirius

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Leo: So ohne Vorwarnung haut der "Song" ganz schön rein.

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Ja ne... Zu Ostzeiten waren einige Textpassagen dieses Songs verboten.

Ja Leo - die Zensur war ne harte Sache!
Ich poste hier mal weitere Dorfdichtungen von der Eisenfeder.

Topografische Ortszenen

Der gelbe Blumentopf am Rand
der Straße ist schmal eingebahnt.
Der Kippenautomat geengt
inmitten Anschlagstafeln rein-
gedrängt; er hängt und pflegt und trägt,
der Pfarrersfrau frühes Gebet.

Der Wind verrückt die Lind nach Westen
und trägt die Blätter durch den Tunnel;
urinbestufte Treppen riechen,
abgewrackte Kinder siechen
mit Netto Plastik Rewe Wurst -
Mensch! Hat der Kleine herben Durst..

Trompeten blasens Lied vom Tod
und Glocken läuten Lebensstille.
Der Nachbars Hund frisst fleißig Kot
Ich sprach: "dagegen hilft Kamille"
doch taub warn nicht nur seine Ohren -
jetzt teilen beide sich das Brot.

Hallo Eisenvorhang,

deine Sprache ist echt verdammt gut. Szenen wie diese, die man nicht mehr wegreden kann...
Sehr gut und eindringlich umgesetzt.

LG Letreo

Ich kann Leo nur beipflichten. Du hast eine ganz tolle Sprache und eine hervorragende Schreibe!

Sirius

Da schließ ich mich gerne an, du führst eine sprachgewaltige Feder, Eisenvorhang.

Jonny