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RE: In die Tüte gedacht

#1 von Karl Ludwig , 06.07.2017 13:02

Sucht und Abhängigkeit

Natürlich ohne erst bei Wiki nachzuschlagen, ehrlich, fällt mir auf, dass im Deutschen diese Begriffe synonym und herab wertend benutzt werden.

Nun, ich zum Beispiel bin süchtig, allerdings nicht abhängig. Näher erläutert: Auch wenn ich keine psychoaktiven Substanzen verkoste, beiße ich in keine Tapeten, sondern verhalte mich ziemlich normal für mein Alter: Etwas missmutig, gelangweilt und jeglichen, mich nicht betreffenden Nerv sofort abwinkend. Ich spüre dann meine Alterswehwehchen etwas intensiver, so wie ich mich vermutlich auch ohne Äffchen in einigen Jahren meistens fühlen werde. Pah!

Auf der anderen Seite kenne ich einige Menschen, die echt abhängig sind, - aber nicht süchtig. Sie benutzen das selbe Zeugs, welches ich auch zu schätzen weiß, nämlich Morphium, die Königin aller Drogen. Allerdings turnen sie sich damit nicht an, sondern benötigen es in Echt, weil irgend eine Krankheit oder ein Unfall nach Schmerztherapie verlangt. Wer echte Schmerzen hat, der hat überwiegend nur Schmerzen und alle anderen Töpfe werden auf dem Herd nach hinten geschoben. Diese Menschen sind garantiert heilfroh, wenn sie mal keine Schmerzen haben, so dass es ihnen auch nicht mehr auf irgendeine, wie auch immer geartete Steigerung ankommt.

Ich hingegen hau mir das Zeugs rein, so viel ich auftreiben kann. Das ist meistens zu wenig und wird auch sofort nieder gemacht. Diese Methode zieht aber manchmal Probleme hinter sich her, weil: Manchmal ist es einfach zu viel und ich muss selber die Notbremse ziehen: Hier, verwahre das mal für mich und gib es mir erst am Soundsovieltem Soundsovielten zurück, egal, was ich erzähle.

Gut. Soweit meine Einschätzung der Lage ohne moralische Wertung.

(Hier muss ich mal das Thema wechseln. Ich blätterte gestern in einem Geo Spezial über England 1066 – 1660. Die übliche Strafe bei Hochverrat war einer Kultur fraglos nicht sehr würdig: Dreimaliges Hängen bis knapp vor Tod, anschließendes Ausweiden und Entmannen, wobei darauf geachtet wurde, keine unmittelbar letale Wirkung zu verursachen, - wie gelesen, alles bei vollem Bewusstsein des Delinquenten. Die Innereien verbrannte man vor den Augen des Sterbenden und ganz zuletzt wurde ihm der Kopf abgeschlagen, der Körper in kleine Teile geschnitten, die dann im ganzen Land ausgestellt wurden.

Kein Wunder, dass ich davon träumte, zumal es auch zeitgenössische Holzschnitte von diesem blutigen Ritual gab. Was sind das nur für Leute, die in vollster Übereinstimmung mit den Gesetzen, Menschen stundenlang, zu Tode quälen?

Dumme Frage. Es gab, und gibt auch heutzutage Solche, die Menschen entführen und ziemlich fantasielos zu Tode quälen.

Da waren die Scharfrichter früher nämlich viel einfallsreicher. Wahre Könner konnten eine Tötungen über Tage hinausziehen. Da ist 'Mit Benzin übergießen und anzünden', so wie es die IS vor einigen Jahren einem syrischen Piloten antat und später veröffentlichte, doch noch human gegen.

Hier was zum Gruseln, aber nicht empfehlenswert, da mit Folgeschäden beim Betrachter zu rechnen sind.

https://www.google.com/search?client=fir...0&bih=915&dpr=1

Ich rauche einen Joint und gehe in mich, forsche meine eigenen seelischen Abgründen hinterher: Würde ich meinem größten Feind töten können, wenn ich kann? Vermutlich! Wenn er etwas getan hat, was den Tod verdient. Zum Beispiel meine Tochter umzubringen. Würde ich ihn aber auch langsam zu Tode quälen? Und da gestehe ich: Bin mir verdammt unsicher! Vielleicht bei Ebbe so an einen Poller binden, auf dass ihn die nächste Flut ertrinken lässt? Ich weiß es echt nicht, ob ich zu solchem Handeln fähig wäre.

https://www.welt.de/print/die_welt/liter...Verdammnis.html

Es gibt auch solche Überlegungen bei hoch zivilisierten Leuten, die 'Rache', das Tallionsprinzip, für eine erstrebenswerte Rechtsgrundlage erachten. Komisch. Rache ist mir eher etwas für kleine Kinder und seelische Krüppel.

Deswegen halte ich den Gewaltmonopolanspruch des Staates für einen kulturellen Anspruch von Zivilisiertheit, - wenn er dosiert angewandt wird. Es dauerte allerdings ziemlich lange, bis der Staat etwas menschlicher wurde. Aber Faustrecht ist bestimmt noch schlimmer! Selbst ich habe kapiert, dass es ohne Regeln nichjt geht, selbst wenn die meisten sinnlos erscheinen, weil sich die Anwendung überholt hat.

Allerdings: Wenn ich in einer Umgebung groß geworden wäre, in der Gewalt und Tot zum Alltag gehören, wenn ich in einer Phase meines Lebens, als ich wie fast jeder junge Mensch nach einer Fahne suchte, um die ich mich scharen kann, mit einfachen Schuldfragen und -antworten indoktriniert worden wäre, wenn meine Changen, ein menschenwürdiges Leben zu führen gleich Null gewesen wären und wenn ich nicht den Humanismus als grösstmögliches und wesentlich schwerer zu erreichendes Ziel entdeckt hätte …)

Ich gebe zurück ans Thema: Eine Bekannte von mir muss regelmäßig Zyprexa schlucken, ein heftiges Psychopharmaka, sonst tanzt sie nackt in den Straßen und erklärt jedem, dass sie die Königin von Saaba wäre und es ihr gut ginge. Da muss man doch klar von Abhängigkeit von einer Substanz reden, die zwar bloß palliativ wirkt, aber im positiven Sinne. Meine Oma war süchtig nach der Insulinspritze? Nein, aber abhängig!

Unter diesem Aspekt betrachtet, kann die Welt doch froh sein, wenn ein Spinner sich selber bedoktort. Cui bono? Suum cuique. Mea non culpa! (Wem nutzt es? Jedem das Seine. Ich bin unschuldig. Danke, danke, danke Google, dass ich mich hier als gebildet darstellen darf.)

Ja, ich weiß, Süchtige sind gut im Erfinden von Gründen. Nur; wenn jemand wie ich seinen eigenen Ausreden nicht Glauben schenken kann, bleibt ihm doch nichts anderes übrig, als völlig emotionslos zu hinterfragen, schonungslos in größeren Zusammenhängen zu denken, auch Standpunkte zu berücksichtigen, die ihm instinktiv zuwider sind, wie Fleiß, Gehorsam. Verantwortung, Ordnung … halt all diese Werte, welche unsere Kultur erst möglich machen und anschließend noch verwirrter aus seinen roten Augen zu staunen. Was mich aber nicht daran hindert, meine realen Bedürfnisse zu beachten und wenn geht zu befriedigen. Aber etwas komisch, naja, exzentrisch, bin ich schon. A kleiner bissel.

So. Und nun mache ich mir einen Lieblingstee.


Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!

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RE: In die Tüte gedacht

#2 von Sirius , 06.07.2017 21:33

Ich denke, jeder sollte nach seiner Fasson glücklich werden, Karl.Ludwig, und sich mit oberflächlichen Vorwürfen zurückhalten. Was dich glücklich macht, ist dein Bier. Andere bescheissen Menschen oder stoßen Kühe um, du schadest niemanden anderen, machst vielleicht deine..äh.. traurig.
Und über die „Werte“ unserer „Kultur“ unserer Generation Doof habe ich so meine Zweifel, ob das wirklich Werte sind oder nur Schlagworte. Man kann sich auch einbilden, ein guter Mensch zu sein. Und ein guter Deutscher ist noch lange kein guter Mensch.
Du bleibst am besten, wie du bist, was anderes bleibt dir eh nicht übrig und wir haben uns daran gewöhnt und wollen gar keinen anderen Karl-Ludwig, der sich auch mal selbst bemitleiden darf.
Ich glaube, es tut dir gut, wenn du dir die Dinge von der Seele schreibst und wir haben ja auch etwas davon.

Sirius


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