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RE: Beim Päden

#1 von Sirius , 18.07.2017 00:43

Beim Päden

Manchmal, wenn ich völlig verzweifelt bin und keinen Ausweg mehr weiß, lasse ich mir einen Termin beim Päden geben. Oder beim Peuthen. Ist wurscht wo. Die Päden sind etwas dämlicher und arroganter als die Peuthen.
Früher war es so, da schilderte man dem Arzt sein Leiden, und der überwies einem denn zu einem Arzt, der Ahnung und schon mal über die Krankheit gelesen hatte.
Das muss man heute nicht mehr. Der Päde hat sein Programm, das die Patienten abspulen müssen, ganz gleich, was sie haben, ob Flüssigstuhl oder Hirnkrebs, ob Klötenwandern oder Aua am Knie. Das Programm hat umfangreiche Tests und am Schluss weiß der Päde ganz genau, wie lange er damit den Patienten verarschen kann .
Das soll auch verhindern, dass der dämliche Kranke schon mit einer vorgefertigten Diagnose zum Arzt kommt („Ich hab Rücken“). Es bestimmt schließlich immer noch der Arzt, woran man leidet.
Alle Päden und Peuthen haben so ein Programm, dass sie per App über ihr Smartphone bekommen, damit sie Produkte verschreiben können, an denen sie natürlich finanziell beteiligt werden. Eine Liste dieser Ärzte gibt es übrigens im Internet in Atlasform.
Die Programme selbst sind unterschiedlich.

Mein Ortho-Päde, der meine Krankenakte gar nicht lesen will, möchte zunächst gelobt werden: „Warum sind Sie in unsere Praxis gekommen?“
„Die anderen Päden hatten alle Patientenstop und irgendjemand muss mir meinen Scheiß Stoff verschreiben, das Budget des Hausarztes ist für sein Programm draufgegangen.“
„So hoch wie bei Ihnen muss der gar nicht dosiert sein. Bücken Sie sich doch mal!“
„Sie sind auch Urologe?“

Nach zwanzig Minuten weiß das Programm, dass man linkes Bein einen Zentimeter kürzer ist als das rechte, und dass ich keine Reflexe mehr im rechten Knie habe, nachdem der Päde verzweifelt jeden Hammer ausprobiert hat.
Daraus ergeben sich auch völlig neue Behandlungsmethoden. Zum Beispiel homöopathische.
„Ich hab keine Hämorrhoiden.“
„Bewegung bringt bei allen Patienten in kürzester Zeit eine Besserung.“
„Das ist toll. Ich kann nämlich nicht laufen.“
„Ich denke, Sie haben es im Rücken?“
„Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Wir haben nämlich noch gar nicht darüber geredet. Sie wollten erst mein Knie zertrümmern.“

Naturheilverfahren sind toll, alles auf rein pflanzlicher Basis: Frische Luft („Ach, wo denn?“ („Aus Dosen, du Depp!“), Salben, die sowohl bei Hämorrhoiden als auch bei Bindehautentzündung helfen, man kann tibetanische Ziegenscheiße löffeln oder säuft sein eigenes Urin, nimmt am Bogenschießen-Programm teil, lässt die Zehen kreisen oder gönnt sich etwas Landluft, um einer Henne mal ins Arschloch zu schauen, wo denn die Eier bleiben.

Das alles ist äußerst gesund, auch wenn es defekte Bandscheiben und Nervenenden überhaupt nicht tangiert.
„Ich brauche nur meinen Stoff und keine Höhlenmystik. Überweisungen, Beten, die x-te Diagnose und das Abgeben meiner Brieftasche am Empfang helfen mir alles nicht. Ich bin bereits operiert mit den unvermeidlichen Folgekrankheiten und ganz gleich, was ich mir auch immer wohin schiebe, der Dreck hilft nicht.“
Der Päde ist beleidigt und lässt das Rezept ausdrucken. Demnächst muss ich auch nicht mehr persönlich kommen, ich kann anrufen und werde dann an seine App weitergeleitet.

Sirius


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RE: Beim Päden

#2 von Jonny , 18.07.2017 18:58

Auf den Punkt getroffen, Sirius, genau auf den Punkt!
Mir geht's nämlich seit sechs Monaten mit einer anderen Sache ebenso.
Ich hole mir mehr Auskünfte aus dem Internet, als ich diesen eigebildeten Weißkitteln aus der Nase ziehen kann.
Und damit ausgerüstet erzwinge ich das Nötigste.
Deine herrliche Satire, hat mich wieder amüsiert!

Jonny

 
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RE: Beim Päden

#3 von Sirius , 19.07.2017 00:17

Ja, Jonny, es ist eine schlimme Zeit geworden. Es geht nur noch um Abzocke. Selbst bei den Ärzten.
Ich danke Dir sehr!

Sirius


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RE: Beim Päden

#4 von Karl Ludwig , 19.07.2017 10:16

Also, ich müsste ja aus Prinzip energisch widersprechen und ein Loblied über den Dienst am Menschen trällern. Allerdings habe ich, so wie oben beschrieben, auch meine Erfahrungen:

Das Ding ist, dass ich Ärzte für Lieferanten halte, die über dem Gemüseladen ihre Praxis haben und mir in mediterraner Gelassenheit ALLES verschreiben was ICH für sinnig halte. Das dauerte bei mir lange, bis ich dieses 'Herr Docker' fehlerfrei aussprechen konnte.

Ich komme mit den Jungschnöseln auf ihrem dynamischen Spurt die Karriereleiter hinauf nicht gut klar. Husch! Noch bevor ich: 'Guten Morgen Herr Docker', sagen kann, hat der schon seinen Therapieplan fertig und die Schwester kommt mit Blutabnahmegeräten, schließt mich an der Lungenfunktionsprüfung an, macht EKG und KDW und was weiß ich, drückt mir ein Set Kakapfuiprüfstreifen und Urinprobeplastikbecher in die Hand und trägt mich für den nächsten Tag um 7.30 Uhr ein - eine gründlicher Durch-check sei notwendig und meine letzten Vorsorgeuntersuchung wär auch schon ewig her. Fragte mich doch letztens (vor zwei Jahren) eine von diesen Tanten, ob ich denn keinen Ärzten vertrauen würde. "Sie etwa?", und dann stellte sich raus, dass die Frau Docker auf sanften Behandllungsmethoden steht. Ausgerechnet bei mir.

Im Moment habe ich keinen Hausarzt, sondern beschlossen mich mit allen Notwendigkeiten selber zu versorgen. Falls nötig lasse ich mich lieber gleich in das nächste Krankenhaus bringen. Die meisten Medikamente (Salben, Ibuprophen, Magentabletten) kosten rezeptfrei auch kaum mehr als die Eigenanteil von 5,00 €.

Gibt es einen Gott der Gier? Müssen wir in Zukunft auf Ärzte verzichten, deren Gegenwart schon Heilung verspricht. Die einen ernst nehmen, nicht bemaßen und verurteilen, es nicht besser wissen, aber da sind, so wie echte Freunde.

Gewinnmaximierung geht immer auf Kosten der Menschlichkeit.


Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!

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RE: Beim Päden

#5 von Sirius , 19.07.2017 20:59

Gewiss, auf dem Dorf, wo in der Praxis noch ein Rotzmann-Laden integriert ist, ist die Ansprache noch etwas persönlicher, zumal man ohnehin mit dem Arzt über sieben Schwangerschaftsecken und der üblichen Inzucht verwandt ist.
Das Problem ist, dass einem keiner mehr zuhört, weil das kein Geld bringt. Für jeden Pickel müssen die Maschinen laufen und es sind umfangreiche Untersuchungen nötig, damit man es etwas findet, was noch mehr Kohle bringt.
Deswegen wird ja auch so viel operiert.
Und was die Gier betrifft, gebe ich dir unbedingt Recht!

Sirius


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RE: Beim Päden

#6 von scrabblix , 20.07.2017 22:45

Ähnliches habe ich mir erst gestern wieder angetan. Kam mir vor wie in der KFZ-Werkstatt: "Das hatten wir ja noch nie!"

Gut auf's Korn genommen, Sirius!


Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.

 
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RE: Beim Päden

#7 von Sirius , 20.07.2017 23:03

Jetzt weiß ich auch, warum die Ärzte bei jedem Pickel immer sagen: Das kommt vom Rauchen!
Weil sie doof sind wie Hirnpflaster und die richtige Diagnose eh nicht wissen.
Danke für deinen Kommentar, Lotte!

Sirius


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