Auf Reisen
Es ist eine Stunde, die macht dir den Staub zum Gefolge,
dein Haus in Paris zur Opferstatt deiner Hände,
dein schwarzes Aug zum schwärzesten Auge.
Es ist ein Gehöft, da hält ein Gespann für dein Herz.
Dein Haar möchte wehn, wenn du fährst – das ist ihm verboten.
Die bleiben und winken, wissen es nicht.
Paul Celan
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Strategien
Die Krankheit greift den Menschen an:
Hierin. Dahin.
Bis er´s nicht mehr mit ansehn kann:
Dies hierin. Dies dahin.
Bis er sich nicht mehr ansehn kann:
Nicht hierin. Nicht dahin.
Bis er begreift. Bin abgetan.
Bis hier hin. Geh dahin.
Robert Gernhardt
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Der Muse Kuss
Die Muse ist ein eigen Wesen -
seit tausend Jahr kann man das lesen.
Doch wenn man plötzlich selbst verspürte,
wie sehr ihr Wirken uns berührte,
dann merkt man, dass es wichtig ist,
dass uns die Muse manchmal küsst.
Emanuel Heger
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Gehörhalluzination
Durchs Ohr der Nacht
Hör ich die blinde Harfenspielerin
Die deine Rippen zupft
Hör ich die schwarzen und die grünen Wellen
An die Brüstung schlagen
Ein Angsttier stapft durch Scharlachbüsche
Es bersten Brücken über deiner Strömung
Und Berge unversehens
Erbeben vom Gesang des Finks
In deinem Puls
Claire Goll
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Vielleicht
Vielleicht kehrt sichs in grausem Schmerz einst um.
Du bist der Mann und ich das Weib, und du
liebst mich dann so, wie ich jetzt dich, und ich -
ich liebe dich, wie du jetzt mich, nichts mehr,
nur dies. Nur dass die Waage wieder still,
und jeder Schale so ihr Maß zuteil.
Christian Morgenstern
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Der Dichter an die Geliebte
Bei der heiligen Schildkröte will ich dir schwören -
Nein,
bei heiligerem:
Bei deiner blassen Stirn, bei deinem hellen Haar-
Dass ich dich nicht verlassen werde:
In diesem und in dem zweiten und in dem dritten Leben nicht.
Denn du bist alles,
Die drei und die eins ,
Die Orchidee und der silberne Maimorgen und der tönende Gesang
der Regen im Herbstlaub.
Klabund
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Ich werde nicht enden zu sagen
Ich werde nicht enden zu sagen:
Meine Gedichte sind schlecht.
Ich werde Gedanken tragen
Als Knecht.
Ich werde es niemals meistern
Und doch nicht ruhn.
Soll mich der Wunsch begeistern:
Es besser zu tun.
Joachim Ringelnatz
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Ein Wort
Ein Wort, ein Satz – aus Chiffren steigen
erkannte Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen
und alles ballt sich zu ihm hin.
Ein Wort – ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammenwurf, ein Sternenstrich -
und wieder Dunkel, ungeheuer,
mit leeren Raum um Welt und ich.
Gottfried Benn
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Einsicht
Der Dichter fühlt sich klug und frei,
meint gar, dass er was Bessres sei,
zieht dies und jenes durch den Dreck,
empört sich über alles keck
und schreibt dann selbst – ganz nebenbei -
die schönste Riesentrottelei,
Emanuel Heger
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HA! Recht hat er, der Heger! Das Gedicht könnte auch sehr gut den Titel haben DER SPÄTE GRASS.
Andererseits --- manch Riesentrottelei manch eines Riesentrottels ist zumindest: SCHÖN. Das ist dann Kunst.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Klösse und Gesang
Das war ein Tag von ziemlich vielen Tagen,
er war nicht schlecht, jawohl, das kann man sagen.
Wir überschlagen jetzt die nächsten Jahre,
es wächst das Gras, es wachsen uns die Haare.
Wir stehen auf, wir steigen in die Kleider.
Auf Wiedersehn – und morgen sehn wir weiter.
Ror Wolf
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