GUTE MERKEL, BÖSER KURZ? WAS BEIM EU-GIPFEL WIRKLICH GESCHAH
750 Milliarden gegen die Corona-Krise: Darauf haben sich die EU-Spitzen Dienstagfrüh nach langen Verhandlungen geeinigt. Wie viel Geld ist das eigentlich? Was hat es mit der Inszenierung von Sebastian Kurz auf sich? Und werden wir nun die Coronakrise solidarisch bewältigen? Lisa Mittendrein beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den EU-Gipfel.
Was wurde beim EU-Gipfel am Wochenende beschlossen?
Nächtelang haben die Staats- und Regierungschef*innen über das EU-Budget für die nächsten Jahre (2021-2027) und neue EU-Maßnahmen gegen die Coronakrise verhandelt. Schließlich haben sie im Wesentlichen das beschlossen, was Angela Merkel und Emmanuel Macron sowie zuletzt die EU-Kommission vorschlugen: Die EU weitet ihr Budget aus und die Mitgliedstaaten erhalten zur Bewältigung der Krise Kredite und Beihilfen von der EU-Kommission. Dafür gibt es etwa 750 Milliarden Euro – etwa zur Hälfte (rückzahlbare) Kredite und (nicht rückzahlbare) Beihilfen. Dieser sogenannte Aufbauplan wird an Auflagen geknüpft – mehr dazu später. Die EU finanziert das Ganze, indem sie an den Finanzmärkten Geld aufnimmt.
Das klingt nach viel Geld. Kann damit die Coronakrise wirksam bekämpft werden?
Eher nicht. 750 Milliarden mag nach viel klingen, sind für die gesamte EU aber angesichts der Tiefe der Krise wenig – vor allem über mehrere Jahre. Wirklich bedeutsam sind auch nur die 390 Milliarden an Beihilfen, denn günstige Kredite bekommen die Mitgliedstaaten derzeit dank der EZB-Politik auch anderswo.
Die neuen Beihilfen machen insgesamt für drei Jahre etwa 0,7 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung aus. Diese bricht alleine heuer jedoch um voraussichtlich 8,3 Prozent ein. Die Mittel sind also gering und können frühestens ab nächstem Jahr fließen, vielleicht sogar noch später. Doch gerade beim Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft, der angeblich mit den Corona-Mitteln vorangetrieben werden soll, dürfen wir keinerlei Zeit verlieren.
Wäre es nur zu wenig Geld, so würde der EU-Plan vielleicht nicht viel helfen, aber dafür auch keinen Schaden anrichten. Doch die Gefahr ist groß, dass die Länder einen hohen Preis für die Beihilfen zahlen müssen.
Warum sollen die neuen Mittel gefährlich sein? Helfen sie nicht zumindest Italien und den anderen besonders von Corona betroffenen Ländern?
Jein. Alle Mitgliedsstaaten erhalten Teile der Beihilfen, Italien etwa 80 und Spanien etwa 70 Milliarden Euro.
Der Haken: Im Gegenzug müssen die Staaten Bedingungen erfüllen, die die EU-Kommission festlegt. Welche das sein werden, ist offen. Aber: Der zentrale Mechanismus ist das sogenannte „Europäische Semester“. Dieses Regelwerk stammt aus der Eurokrise und funktioniert so: Die EU-Kommission gibt den Ländern jährlich Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik – offiziell unverbindlich. Nun werden diese Empfehlungen verpflichtend. Wer Corona-Gelder will, muss sie umsetzen.
Was ist das Problem damit, die EU-Hilfen an Bedingungen zu knüpfen?
Die Geschichte zeigt, dass die Empfehlungen der EU-Kommission eine klar neoliberale Schlagseite haben. Zwischen 2011 und 2018 „empfahl“ sie Staaten 105-mal Pensionskürzungen und 50-mal Maßnahmen gegen Lohnsteigerungen. Ganze 63-mal forderte die Kommission sogar Kürzungen und Privatisierungen im Gesundheitssystem. Die EU-Corona-Hilfen werden nun also an ein Instrument gebunden, das in der Vergangenheit die Gesundheitsversorgung in Europa gefährdet hat.
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