Ralf Bönt: Das kurze Leben des Ray Möller
… Jetzt hat Bönt einen Roman veröffentlicht, der sein Lebensthema aufgreift und der viel mehr ist als eine larmoyante Nabelschau. Das kurze Leben des Ray Möller ist virtuos geschrieben, viel wurde reingepackt, das heutige Berlin nach der Mauer, eine unglückliche BRD-Kindheit, 9/11 und eine jüdische Freundin kommen drin vor. Und weil man gar nicht so viel „Männerliteratur“ dieser Sorte kennt, erinnert die Perspektive erst mal ein wenig an Karl Ove Knausgårds Mammutwerk, an das Mann-, Vater- und Partnersein, wie der Norweger es exzessiv dokumentarisch beschreibt.
Der Held des Romans, Marko Kindler, ist ein Mann, wie wir ihn überall antreffen können, nicht zuletzt in unserer Filterblase auf Facebook. Ein Schriftsteller auch er, sein letzter Roman liegt schon länger zurück, nicht weil ihn eine Schreibblockade hemmt, sondern weil Marko mit einer chronischen Krankheit kämpft, die den Alltag lähmt und die Sexualität deformiert, M. ist süchtig nach Onanie. Eine Diagnose hat er nicht, Medikamente nimmt er reichlich. Im Mittelpunkt steht aber zuerst die hochschwangere Lycile. Bönt seziert die fiesen Liebeserosionen, die sich bei dem Paar einschleichen, da hat der Alltag mit Baby noch gar nicht begonnen. Und weil sich die Sonne naturgemäß um die Schwangere dreht, muss sich der künftige Vater die Klage über Rückenschmerzen schon verkneifen, wenn die Wehen losgehen und das Auto im tiefsten Winter weit weg geparkt ist. Als das Baby Ray dann da ist, bleibt die Krankheit und vertieft ihre neurotischen Züge. Marko will eine Fehlbehandlung nachweisen, auf Schadenersatz klagen. Einmal stellt Lycile entnervt klar, sie habe einen Schriftsteller geheiratet.
Lycile ist eine Frau, die ganz selbstverständlich Anspruch auf ihre Ansprüche erhebt. Und wenn das hier alles nicht klappt, so liest man zwischen den Zeilen, dann eben Pech und Patchwork. Verhandelt wird nämlich noch ein anderes, es scheint Bönts großes Thema: das Sorgerecht. Sicher – das neue Sorgerecht stärkt die rechtliche Stellung von Vätern, die Praxis sieht in zerrütteten Beziehungen wohl aber immer noch anders aus, wertfrei gesagt. Die große Verzweiflung und die Wut eines Vaters, der genauso da sein will für das Kind wie die Mutter, man findet sie in Bönts Roman – sie braucht auch keine großen Worte.
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